O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Kinderfreundliches Konzert

SPOTLIGHT
(Diverse Komponisten)

Besuch am
23. Januar 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Düsseldorf Lyric Opera, Jazz-Schmiede, Düsseldorf

Dass die Düsseldorf Lyric Opera im vergangenen Jahr nicht sang- und klanglos im Abgrund verschwand, ist in erster Linie der Pianistin Meghan Behiel zu verdanken, die mit ihren Konzerten in der Galerie von Bernd Lausberg dafür sorgte, dass wenige einige der Sänger immer wieder auftreten konnten. Der Stammsitz der DLO mit Bürgersaal auf dem ehemaligen Salzmann-Gelände und der Jazz-Schmiede allerdings blieb in dieser Zeit verwaist. Jetzt endlich kann das Netzwerk zumindest wieder in die Jazz-Schmiede einladen. Früher waren die Spotlight-Konzerte, in denen Werke aus Opern, Operetten und Musicals vorgetragen werden, Höhepunkte für die Nachbarschaft. Offenbar hat es sich aber noch nicht herumgesprochen, dass es nun wieder losgeht. Ein größeres Plakat an der Außenwand der Spielstätte hätte hier möglicherweise einiges bewirken können. Es ist, wie es ist. Im Schank- und Bühnenraum sind Tische in ausreichendem Abstand aufgebaut. Dahinter gibt es noch einige Stuhlreihen. Gute Laune liegt in der Luft, vielleicht auch deshalb, weil Julia Coulmas den Nachmittag ihrem „Gesangslehrer, Freund und Mentor“ Mario Laurenti widmet, der in der vorangegangenen Woche im Alter von 100 Jahren aus dem Leben schied, etwa 20 Minuten, nachdem seine Schülerin ein letztes Mal mit ihm gesprochen hatte.

Ekaterina Somicheva – Foto © O-Ton

Michael Carleton eröffnet den Nachmittag mit einer Krankmeldung. Dass Monika Rydz kurzfristig ausfällt, ist kein Glücksfall, wohl aber, dass Julia Coulmas für sie einspringt. Die beiden Arien, die für Rydz vorgesehen waren, stellen auch für Coulmas kein unüberwindliches Hindernis dar, obwohl sie schwangerschaftsbedingt schon seit einiger Zeit nicht mehr gesungen hat. Apropos Schwangerschaft und Kinder. Was machen eigentlich Sänger, wenn sie am Sonntagnachmittag einen Auftritt haben, mit ihren Kindern? Es gehört zur Idee der Düsseldorf Lyric Opera, dass es dafür eine ganz einfache Lösung gibt. Die Kinder kommen mit zum Auftritt – und wenn es sein muss, halt auf die Bühne. Geht nicht? Geht. Wird das Publikum später erleben. Vorerst beginnen Meghan Behiel und Michael Carleton den musikalischen Teil fulminant mit dem vierhändigen The Arrival of Queen of Sheeba. Ekaterina Somicheva, gerade eben von einer Konzertreise aus St. Petersburg zurückgekehrt, wirft sich im roten Kleid regelrecht in Pose, um Meine Lippen, die küssen so heiß voller Inbrunst zu intonieren, das Lied der Giuditta aus der gleichnamigen Operette von Franz Lehár. Da ist die Begeisterung des Publikums gleich schon mal ganz weit oben. Parto, parto, ma tu ben mio ist die Arie, die Sesto in La clemenza di Tito singt, während er zum Kapitol eilt, um einen Aufstand anzuzetteln und Titus zu ermorden. Die beliebte Hosenrolle übernimmt Paulina Schulenburg und dürfte mit dem Vortrag dem Komponisten, Wolfgang Amadeus Mozart, ziemlich gefallen haben. Zumal es ihr gelingt, ihre Stimme, die bekanntlich zu beachtlichem Volumen fähig ist, der Akustik des Raums perfekt anzupassen.

Aus der Oper Faust von Charles Gounod stammt eine der Lieblingsarien für lyrische Baritone. Kein Wunder, dass James Williams sich Avant de quitter ces lieux – bevor ich diese Orte verlasse – nicht entgehen lässt. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Zu Puccinis O mio babbino caro muss man wirklich nichts mehr sagen. Außer dass Julia Coulmas eine sehr berührende Fassung gelingt, die hier auf kleinem Raum sehr gut funktioniert. Überraschend schwer und getragen zieht anschließend der Abendstern herauf. Bariton Jason Tran interpretiert Richard Wagners O du, mein holder Abendstern von Wolfram aus Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg ohne einen Funken Hoffnung oder Glanz. Da ist es gut, dass sich das Laudamus te von Antonio Vivaldi anschließt, mit dem Karen Bandelow und Philippa Thomas für das nötige Seelenheil in der Pause sorgen.

Julia Coulmas mit Tochter – Foto © O-Ton

Den zweiten Teil beginnt Coulmas mit dem Musetta-Walzer Quando m’en vo aus La bohème von Giacomo Puccini. Eine Arie, die sie auch dann noch beherrschte, wenn man sie volltrunken mitten in der Nacht aus dem Bett holte. Und das ist auch gut so. Denn dass die Mama alleine auf der Bühne steht, sieht die kleine Tochter überhaupt nicht ein. Erst weint sie, dann klettert sie kurzentschlossen auf die Bühne. Coulmas trifft die einzig richtige Entscheidung. Sie nimmt ihre Tochter in die Arme und singt weiter. Herrlich. Die Herzen des Publikums fliegen ihr zu. Thomas vertraut ihren Säugling dann doch lieber Behiel an, ehe sie Händels Non disperar chi sa? kraftvoll zur Klavierbegleitung von Williams interpretiert. Und die Tochter von Schulenburg hält sich einfach die Ohren zu, wenn die Mutter strahlend Von ewiger Liebe schwärmt, die ihr Johannes Brahms auf die Lippen legt.

Die tote Stadt von Erich Wolfgang Korngold gehört mit Sicherheit zu den großartigsten Opern, die es überhaupt gibt, und Mein Sehnen, mein Wähnen ist neben Glück, das mir verblieb, eine der Arien, die es längst in die ewigen Bestenlisten geschafft hat. Williams singt wunderbar artikuliert mit einer Zurückhaltung, die das Ergebnis noch verstärkt. Da geht es ganz knapp an der Gänsehaut vorbei. Sehr lyrisch geht Bandelow Printemps qui commence an, die Arie aus Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns, die Maria Callas zu einer Art Hymne der Opernwelt erhob. Im Gegensatz zur Callas wird Bandelow nicht vom schmelzenden Klang der Orchesterstreicher begleitet, was es deutlich schwieriger macht. Aber die schmalzfreie Anlage ist die richtige Entscheidung, und das Publikum darf sich glücklich schätzen, Bandelows Interpretation zu hören. Zum guten Schluss gibt es noch eine der berühmtesten wie vergeblichen Verführungsszenen aus der Welt der Oper. Dort wollen wir uns die Hände reichen, so vornehm hat Lorenzo da Ponte ausgedrückt, was Wolfgang Amadeus Mozart augenzwinkernd in durchaus verführerische Klänge kleidete. Das Duett Là ci darem la mano von Don Giovanni und Zerlina singen an diesem Nachmittag Somicheva und Tran. Während Tran die Ungeduld Don Giovannis in sein Andiam‘ legt, ziert sich Somicheva nicht nur musikalisch gekonnt, sondern auch mit Spielfreude. Ein glänzender Abschluss, den auch keine Zugabe mehr steigern könnte.

Ein Nachmittag mit Kindern und wohlfeilem Operngesang – da kann man sich durchaus Schlimmeres vorstellen. Die Nachbarn haben etwas verpasst. Aber die Hoffnung ist groß, dass sie nun nicht wieder mehr als ein Jahr warten müssen, bis es – vielleicht mit neuem Repertoire – wieder weitergeht mit den Spotlight-Konzerten in der Opernwelt der Jazz-Schmiede.

Michael S. Zerban