Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
SPOTLIGHT
(Diverse Komponisten)
Besuch am
29. November 2017
(Einmalige Aufführung)
Die ganz große Oper – was macht sie eigentlich, wenn sie sich auf kleinste Räume zurückzieht? Wenn sie nicht in den großen Opernhäusern, sondern in einem Bürgerhaus in Düsseldorf-Bilk stattfindet? O-Ton berichtete über die Idee der Düsseldorf Lyric Opera (hier geht es zum Audiobeitrag), jetzt folgt der Praxischeck. Denn neben Opernaufführungen bietet das Netzwerk auch Liederabende an. Bei der Reihe Spotlight geht es besonders intim zu.
1984 zog die Firma Jagenberg von Düsseldorf nach Neuss. Geplant war auf dem ehemaligen Gelände des Verwaltungshauptsitzes, dem Salzmann-Bau, benannt nach dem Architekten, Abriss und die Neuerrichtung von Büros und Luxuswohnungen. Das Übliche halt. Zahlreiche Projektgruppen und Bürgerinitiativen verhinderten das. Ein Jahr später wurde das Firmengelände unter Denkmalschutz gestellt. Heute ist es ein lebendiges Stadtteilzentrum mit Sozialwohnungen für etwa 2000 Menschen, Künstlerateliers, Cafés und Bürgerhaus. Und im Bürgerhaus gibt es einen Tanzsaal, den man mit viel gutem Willen auch zur Bühne umfunktionieren kann. Sogar ein kleines Lichtdesign ist möglich.
Die durchaus nicht als komfortabel zu bezeichnenden Stühle sind im Halbkreis über die Länge des Saales reihenförmig angeordnet. Davor bleiben vielleicht noch fünf Meter freie Fläche in der Tiefe – ausreichend, um links eine Musikecke mit Klavier, Saxophon und Querflöte anzuordnen und den Künstlern Platz für ihren Auftritt zu lassen, die von einem Nebenraum aus auftreten. Viele im Publikum scheinen sich zu kennen, lebhafte Unterhaltungen erfüllen den kleinen Saal in Englisch, Deutsch, Französisch oder Rumänisch. Aber natürlich ist es schlagartig still, als Julia Coulmas die Bühne betritt. Die Amerikanerin, die sich hartnäckig weigert, deutsch zu sprechen, obwohl ihre Deutschkenntnisse nach acht Jahren sehr gut sind, moderiert auch in ihrer Muttersprache. Und, ganz amerikanisch, erfolgt zu Beginn erst mal ein kleines cheer up. Nachdem das Publikum sich mit dreimaligen Bravo-Rufen entspannt hat, beginnt der Liederabend, der quer durch die Opern-, Operetten- und Musical-Welt führt. Coulmas wechselt sich bei den Moderationen mit dem Philosophie-Lehrer Tomasz Hakuba ab, so dass auch hier der Sprachmix funktioniert. So interessant und gut vorbereitet die Moderatoren-Texte sind, wünschte man sich doch auch zwei, drei Sätze über die Künstler zu hören. So muss man sich auf die Namensliste auf dem Abendzettel beschränken oder auf der Website der Düsseldorf Lyric Opera nachschauen.
Julia Coulmas und Jessica Flowers – Foto © O-Ton
Den Anfang macht Jessica Flowers mit Maybe this time aus dem Musical Cabaret. Der Bassbariton Thomas Huy hebt die Stimmung weiter mit der Moritat von Mackie Messer, ehe Yvonne Prentki, die in dieser Spielzeit am Theater in Hof engagiert ist, den wunderbaren Schmachtfetzen Einer wird kommen aus Franz Lehárs Zarewitsch intoniert. Nach weiteren Ausflügen zu Bizet, Mozart und Robert Stolz, die vom Publikum begeistert aufgenommen werden, lassen Julia Langeder und vor allem Anna-Maria Firiss mit dem Blumen-Duett aus Delibes‘ Lakmé aufhorchen. Dafür sind sie gar in orientalische Gewänder geschlüpft.
Nach der Pause wird das Publikum schon mal auf bevorstehende Projekte eingeschworen. I Pagliacci von Ruggero Leoncavallo steht Ende Februar auf dem Programm der Düsseldorf Lyric Opera. Frank Schnitzler bringt daraus Vesti la giubba zu Gehör. Nach weiteren Auftritten von Flowers und Firiss interpretiert Martina Zimmermann When I am laid to earth von Henry Purcell. Nach einer weiteren Kostprobe Prentkis bringt Huy noch einmal eine Portion Humor mit dem Porterlied aus Friedrich von Flotows Martha in den Saal, ehe Coulmas selbst in George Gershwins Summertime schwelgt. Zu Ehren des Besuchs der Schwiegereltern von Jessica Flowers gibt es dann noch ein Überraschungsduett mit Coulmas. Wunderbar kitschig wird da der Staat Ohio besungen. Zur Zugabe wird Maria Popa mit auf die Bühne gerufen. Bis zum vergangenen Jahr noch Mitglied des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, lässt die gerade mal 26-Jährige viel Potenzial hören.
Das Klavier ist eigentlich eine Zumutung, dennoch gelingt es Meghan Behiel und Michel Carleton mal abwechselnd, mal vierhändig, eine einigermaßen vernünftige Begleitung zu Stande zu bringen, was angesichts des Instruments schon hohe Kunst ist. Unterstützt werden die Pianisten – etwas zurückhaltend – an Saxophon oder Querflöte von Luis Pallarolas. Erst bei seinem Summertime-Solo bringt er das Saxophon zu richtiger Geltung.
Das Publikum verabschiedet die Künstler, die in Abendgarderobe aufgetreten sind und dem Publikum auch auf diese Weise Respekt zollen, mit weiteren Bravo-Rufen im Stehen und viel, viel Applaus. Zu einem solchen Abend kommt man nicht, weil man die Erhabenheit von Operngesang spüren möchte, sondern weil man die Nähe zu den Künstlern und die sehr persönliche, ja, freundschaftliche Atmosphäre genießt. Und so kann man beschwingt nach annähernd zwei Stunden schon mal in den Prospekt schauen, wann denn das nächste Spotlight zu erleben ist. Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, kann man eine neue Ausgabe im Bilker Bürgerhaus erleben.
Michael S. Zerban