O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Nette Kirchengemeinde

ORIENTAL SOUNDS & JAZZ
(Duo Zia feat. Mohamad Fityan)

Besuch am
18. Oktober 2022
(Einmalige Aufführung)

 

IDO-Festival in der Evangelischen Dankeskirche Benrath, Düsseldorf

Die Verantwortlichen des IDO-Festivals streben offenbar an, möglichst jede Kirche in Düsseldorf, die über eine Orgel verfügt, in ihren Konzertreigen einzubeziehen. Das ist prinzipiell löblich. Wenn es dann aber in die weit vom Zentrum entfernten Stadtteile geht, muss man ehrlicherweise auch damit rechnen, dass die Kirchengemeinde unter sich bleibt. Benrath ist der südlichste Stadtteil Düsseldorfs, gleich an der Grenze zu Hilden im Kreis Mettmann. Die Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr ist, nett ausgedrückt, marginal, für geübte Fahrradfahrer ist es ein ordentlicher Ausflug vom Zentrum aus, den man sicher nicht unternimmt, um mal eben ein Konzert an kühlen Herbstabenden zu besuchen. Parkplätze, so weist es das Gesamtprogramm des Festivals völlig korrekt aus, sind Mangelware. Und es kommt, wie es kommen muss: Die Kirche ist nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Dabei ist das eigentlich ungerecht gegenüber der Gemeinde der Dankeskirche. Selten wird man freundlicher empfangen als hier.

Ganz offenbar freuen sich die Gemeindemitglieder auf die Festival-Gäste. Am Portal werden sie von dem jungen Küster begrüßt, der ein sehr offenes Ohr und Auge für die Bedürfnisse der Gäste hat und mit ausgesuchter Höflichkeit um bestmöglichen Service bemüht ist. In der Kirche entbietet eine ältere Dame mit strahlendem Lächeln einen von Herzen kommenden Willkommensgruß. Noch ehe sich die Freude über einen derart schönen Empfang gelegt hat, darf man erst mal staunen. Denn die Kirche, die 1915 ihre Weihe und 1967 die jetzige Orgel erhielt, ist im Stil lutherischer Kirchen des 18. Jahrhunderts gebaut. Und da ist die Orgel über dem Kanzelaltar an der Stirnwand des Altarbereichs angeordnet. Sehr eindrucksvoll. Dabei lässt der Kirchenbau jede Großmannssucht vermissen, wirkt geradezu „kuschelig“. Für Konzerte des Orgelfestivals allerdings ist er nur sehr bedingt geeignet. Wer sich nicht auskennt und in der von der Kanzel aus gesehen rechten Hälfte des Kirchenschiffs Platz nimmt, wird während der ersten drei Stücke an diesem Abend nur den Rücken des Organisten sehen. Festival-Besucher genießen gerade die Nähe zu den Künstlern.

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Heute Abend hat sich das Duo Zia mit Mohamad Fityan angekündigt, um Oriental Sounds & Jazz zu präsentieren. Mit Duo Zia sind Marcus Rust als Trompeter und Christian Grosch als Organist, Pianist, Mann mit Hang zur Perkussion und einem, der mal schnell zum Cello greift, wenn es denn nötig ist, gemeint. Kongenial ergänzt die musikalische Runde der aus Syrien stammende Nay-Spieler Fityan. Ziel des Abends ist, die Besucher mit auf eine Reise durch arabische Länder zu nehmen und dabei alte Lobgesänge mit modernen Jazz-Elementen zu verbinden. Bis dahin ist auch alles in Ordnung, ja, vielversprechend. Ärgerlich ist dann allerdings, dass die Musiker glauben, es reiche aus, das Programm mit genuschelten Moderationen von Rust ausreichend erklären zu können. So verzichten sie sowohl auf einen Programmablauf im Gesamtprogramm als auch auf einen Abendzettel. Wer verschiedene Kulturen einander näherbringen will, unternimmt zu wenig, wenn er keine Erklärungen hinzufügt. Es gibt Lieder aus Palästina, Lobgesänge aus Israel, Melodien der koptischen Christen und des Sufismus und ein Weihnachtslied aus Jordanien, gekleidet in Jazz-Elemente. Das klingt alles wunderbar, bleibt aber an der Oberfläche.

Daran ändern auch die Ausführungen Fityans zu seinen Flöten nichts. 24 Flöten hat er mitgebracht, die er, in einem Koffer angeordnet, vorzeigt. Er unterscheidet zwischen Nay als arabischer und Ney als türkischer Flöte, grenzt sie ab von der Kawala, die eher meditativen Klängen zugeordnet wird, und erläutert, warum an der Schnittkante des Mundstücks zwei Drittel der Luft vorbeiziehen, wenn man die Flöte ordnungsgemäß in einem Winkel von etwa 45 Grad am Mund ansetzt. Und mit diesen Erklärungen kommen die Musiker auch von der Orgel-Empore herunter – was nur ein halber Gewinn ist, denn vor der Kanzel bieten gerade mal ein paar Kerzen trübseliges Licht.

Einer der stärksten Momente des Abends ist sicher, wenn die drei ein persisches Lied vortragen, das ein iranischer Komponist, der in den 1980-er Jahren gestorben ist, geschrieben hat, und das sie als Friedensbotschaft nach Teheran senden. Das ist eindeutig einen Zwischenapplaus wert. Auch ansonsten gibt es haufenweise schöne musikalische Momente, die die Musiker gekonnt vortragen. Und mit ihren beiden Zugaben setzen sie dem Abend noch mal ein Sahnehäubchen auf.

An diesen Abend wird sich das Publikum, das sehr überlegt applaudiert, sicher gern erinnern. Das Festival läuft derweil weiter. Als nächster Höhepunkt ist für den 22. Oktober Die Moldau in einer brillanten Vorstellung der beiden Brüder Kaufmann angekündigt. Dann übrigens auch wieder mit einem ordentlichen Programm, das dem Publikum einen roten Faden an die Hand gibt. Ist besser so.

Michael S. Zerban