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Aktuelle Aufführungen

Jetzt wird gefiedelt

ORGEL & NYCKELHARPA
(Edvard Grieg, Ludvig Mathias Lindeman)

Besuch am
10. Oktober 2022
(Einmalige Aufführung)

 

IDO-Festival, Lambertuskirche, Düsseldorf

Was das Internationale Düsseldorfer Orgelfestival besonders macht? Das ist sicher Geschmackssache und lässt sich nicht so leicht beantworten. Zu umfangreich ist das Angebot in der Zeit vom 30. September bis zum 7. November. Die Verantwortlichen selbst haben die Konzerte in fünf Kategorien eingeteilt. Da geht es von klassischer über zeitgenössische Musik zu Jazz, Swing, Blues und Bossa nova. Im so genannten Cross-Bereich finden Konzerte mit internationaler Musik, Synthesizer-, Rock-Musik oder Stummfilme, die mit Live-Musik unterlegt werden, statt. Und schließlich gibt es noch den Bereich für die gesamte Familie. Über die Einteilung kann man diskutieren, Vielfalt ist allemal gegeben. Aber es kommen auch die Instrumentenliebhaber der Orgel und die Wissensdurstigen nicht zu kurz. Und wer am Sonntagnachmittag einfach mal ein Orgelkonzert ganz ohne Schnickschnack hören will, ist beim Festival ebenfalls gut aufgehoben.

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Fragt man denjenigen, der keinen so direkten Bezug zur „Königin der Instrumente“ hat, wird man vielleicht die Antwort bekommen, dass ihn besonders die „ungewöhnlichen“ Konzerte interessieren, also etwa die Kombination von Schlagzeug und Orgel, wenn gleich ein ganzes Orchester mit Chor und Orgel aufspielt oder auch einfach eine Nyckelharpa ins Spiel kommt. Ja, dieses Instrument gibt es tatsächlich. Ursprünglich wohl in Schweden entwickelt, besteht die Schlüssel-Harfe, so die wörtliche Übersetzung, in Deutschland sind auch die Begriffe Schlüsselfidel, Schlüsselgeige oder Tastenfidel geläufig, aus Saiten, die mit einem Bogen gestrichen und über Tasten verkürzt werden können. Eigentlich ein rein folkloristisches Instrument, setzen Spieler wie Marco Ambrosini und Didier François sie seit den 1990-er Jahren verstärkt im nicht-folkloristischen Repertoire ein. Ambrosini selbst ist heute beim IDO-Festival zu Gast in der Düsseldorfer Lambertuskirche. Die Festivalbesucher kommen also nicht nur in den Genuss, das Spiel einer Nyckelharpa zu erleben, sondern auch gleich einen der weltbesten Nyckelharpa-Spieler kennenzulernen. Ambrosini stammt gebürtig aus der italienischen Stadt Forlì in der Region Emilia-Romagna, lebt aber heute in Deutschland. Als Musiker, Komponist und Arrangeur wirkt er als Lehrer im Bereich der alten Musik, hat eine Akademie für die Nyckelharpa ins Leben gerufen, führt Meisterklassen in Italien durch und spielt bei einer Reihe von Ensembles mit. In Düsseldorf tritt er in Begleitung von Eva-Maria Rusche auf. Die in Tübingen geborene Musikerin und Historikerin begeistert sich für alles, was eine Tastatur hat. Seit dem fünften Lebensjahr spielt sie Klavier, später kamen die Orgel und das Cembalo dazu. Im vergangenen Jahr brachten die beiden das Album Alfedans heraus. Es ist nicht so schwer zu erraten, dass es sich hier um einen Elfentanz handelt. Das Programm setzt sich aus Kompositionen von Edvard Grieg und Ludvig Mathias Lindeman zusammen. Von Edvard Grieg sind in Deutschland vor allem die Peer-Gynt-Suiten bekannt, in seiner Heimat sind seine stark von der Volksmusik geprägten Kompositionen mindestens ebenso geläufig. Bei ihnen griff er auch auf die Volksliedsammlung zurück, die der Komponist und Organist Lindeman wenige Jahre zuvor herausgab.

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Mit dem Elfentanz eröffnen Rusche und Ambrosini den Abend, der überwiegend von Tänzen geprägt ist. Nach einem Springdans von Lindeman folgen gleich fünf Stücke von Grieg, darunter zwei Norwegische Tänze, ehe es nach einer Volksmusik zur Ballade von Grieg geht. Ein weiterer Springdans Lindemans leitet über zu drei Lyrischen Stücken Griegs. Ein letzter Norwegischer Tanz schließt den Abend. Dabei weiß man nicht, was eindrucksvoller ist. Der Klang der Nyckelharpa, virtuos von Ambrosini dargeboten, oder das, was Rusche der Orgel entlockt. Das ist Welten von dem entfernt, was man aus Gottesdiensten kennt. Der Orgeltisch steht ebenfalls im Altarraum. So dürfen die Zuschauer erleben, welche Anstrengungen Rusche unternimmt, um dem Instrument die ganze virtuose Bandbreite von kaum hörbar oder nur als Vibration wahrnehmbar bis zur vollen Prachtentfaltung zu entlocken. Nach diesem Abend ist man fest davon überzeugt, bislang nur zehn Prozent der Möglichkeiten einer Orgel gekannt zu haben. Großartig.

Immerhin sind an diesem Abend genügend Besucher gekommen, um die Bänke im Mittelschiff zu füllen. Die applaudieren enthusiastisch und runden damit den Auftritt harmonisch ab. Zumindest über diese Aufführung kann man sagen, dass sie zu den Bestandteilen gehört, die aus dem IDO-Festival etwas ganz Besonderes machen.

Michael S. Zerban