O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Bettina Stöß

Aktuelle Aufführungen

Spitzentanz und animalische Körperlichkeit

ONE AND OTHERS
(Christopher Wheeldon, Demis Volpi, Sharon Eyal)

Besuch am
2. April 2022
(Premiere)

 

Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf

Drei Choreografien aus diesem Jahrtausend stellt Ballettdirektor Demis Volpi für den neuen Tanzabend der Deutschen Oper am Rhein zusammen. Unter dem Titel One and Others feiern drei zwischen 2001 und 2016 kreierte Stücke im Düsseldorfer Opernhaus Premiere, die einen weiten Kosmos zwischen anmutigem Spitzentanz und animalisch-dynamischer Körperlichkeit ausschreiten.

Wenn Choreografin Sharon Eyal in ihren Arbeiten selbstbewusst „extreme Körperlichkeit“ anstrebt, verspricht sie mit ihrem 2016 in Den Haag uraufgeführten Tanzstück Salt Womb nicht zu viel. 17 Tänzer in lederartig schwarzen Korsagen stehen dem Publikum zur martialisch hämmernden Maschinenmusik von Ori Lichtik wie ein panzerartiger Organismus gegenüber, der langsame, einfache Bewegungen ausführt, die aber eine geradezu explosive Energie ausstrahlen. Bis man sich an diesen tänzerischen Urknall gewöhnt hat, löst die geballte Körpermasse des hoch konzentriert agierenden Ensembles bedrohliche Gefühle aus. Die schlagen aber rasch in elektrisierende Faszination um, wenn sich die „Masse“ in schleichenden Übergängen zu immer neuen Arrangements formt und den rhythmischen Varianten der Musik mit vollem Körpereinsatz folgt. Den menschlichen Körper so radikal als Werkzeug oder sogar als Waffe tänzerisch einzusetzen, damit setzt Eyal Maßstäbe. Der Beifall des Premierenpublikums fällt entsprechend begeistert aus.

Nach diesem Schlusspunkt des Abends wirken die vorangegangenen Stücke von Christopher Wheeldon und Demis Volpi trotz ihrer modernen Machart konventionell, auch wenn man ihnen mit dem Begriff nicht gerecht wird. Aber beide lösen sich in ihren Arbeiten, und das ganz bewusst, nicht vom klassischen Spitzentanz, auch wenn sie ihn kreativ mit zeitgemäßen Bewegungsmustern verknüpfen. Und das mit großer Fantasie, wie Christopher Wheeldon in seiner Arbeit Polyphonia eindrucksvoll demonstriert. Zu zehn stilistisch abwechslungsreichen Klavierstücken von György Ligeti entwickelt er für vier Tanzpaare zehn Kreationen in unterschiedlichen Formationen vom Solotanz über Pas de Deux‘ bis zum Ensemble, in denen der Spitzentanz dominiert, aber alles andere als antiquiert wirkt.

Geht Wheeldon der Anmut des Spitzentanzes nicht völlig aus dem Weg, setzt Volpi die Technik in seinem Stück One and Others strenger und kühler ein. Bereits die bewusst plump anmutenden Kostüme lassen Assoziationen an Schwanensee & Co. nicht zu. Wobei das Streichquartett von Christos Hatzis durchaus romantische Wurzeln erkennen lässt und die abstrakten Bewegungsformationen der Choreografie mildert. Und die fallen nicht alle so originell aus wie eine Art „Bienentanz“, in denen die Tänzerinnen auf Spitze steppen.

Ein interessantes Programm, dessen Anforderungen die Compagnie der Deutschen Oper am Rhein auf hohem Niveau gerecht wird. Entsprechend belohnt wird sie mit langanhaltendem Beifall.

Pedro Obiera