O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Kai Kuczera

Aktuelle Aufführungen

Damen-Quartett in Top-Form

MITTSOMMERNACHT
(Diverse Komponisten)

Besuch am
19. Juni 2020
(Einmalige Aufführung)

 

Deutsche Oper am Rhein, Autokino auf dem Düsseldorfer Messeparkplatz

Es ist sicher nicht das Opern-Format der Zukunft: Aber die Möglichkeit, nach monatelanger kultureller Quarantäne Oper mit vollem Orchester, Chor und großem Solisten-Aufgebot live erleben zu können, für diese Chance nahmen sowohl die Künstler der Deutschen Oper am Rhein als auch das Publikum mit großer Dankbarkeit und Begeisterung den nostalgisch angehauchten Charme eines Autokinos in Kauf. Es bedarf im Augenblick schon der riesigen Dimensionen eines Parkplatzes wie den der Düsseldorfer Messe, um in solcher Besetzung die Abstandsregeln einhalten zu können. In der Mittsommernacht der Rheinoper können sich die Düsseldorfer Symphoniker über 40 Meter ausbreiten, die Choristen haben noch mehr Platz und die Solisten singen am Rand in abgetrennten Boxen. Zu sehen sind sie aus den 500 Autos zwar nur auf der Videoleinwand, das aber gut und auch die Tonübertragung lässt keinen Wunsch offen.

Foto © Kai Kuczera

So wie auch Generalmusikdirektor Axel Kober den weit verstreuten Apparat erstaunlich präzise zusammenhalten kann. Kober moderiert und dirigiert überwiegend effektvolle Ohrwürmer aus dem populäreren Repertoire, so wie es sich für eine „Opern-Gala“ gehört. Dann die Überraschung: Selbst allseits Bekanntes wie Carmens Habanera oder die große Arie der Traviata wirken wie schaumgeborene Offenbarungen. Ob dieser endorphine Gefühlsschub der ausgehungerten Abstinenz der letzten Monate oder der Qualität der Interpretationen zu verdanken ist, dürfte sich die Waage halten. Das überragende Niveau vor allem der Sängerinnen macht auf jeden Fall deutlich, wie schmerzlich Intendant Christoph Meyer die Zwangspause gerade in dieser Saison getroffen haben muss. Eine Saison, in der ihm so viele Sängerinnen von internationalem Niveau zur Verfügung gestanden haben wie nie und auf die er die Saison programmatisch ausgerichtet hat. Immerhin vier der Damen sorgen in der Mittsommernacht für Höhepunkte in Folge. So die Mezzosopranistin Ramona Zaharia als Carmen, deren Debüt an der New Yorker Met in dieser Rolle dem Virus zum Opfer gefallen ist. Die Sopranistin Adela Zaharia glänzt als Traviata und mit einer Arie aus Léo Delibes‘ Oper Les Filles de Cadiz, Maria Kataeva als Rosina in Rossinis Barbier und mit einem Zarzuela-Hit. Elena Sancho Pereg kommt mit einer Donizetti-Arie aus Linda de Chamounix etwas zu kurz. Sie alle aber markieren ein Niveau im Weltklassen-Bereich. Dagegen haben es die Männer nicht leicht, auch wenn der Bassist Bogdan Taloş mit Basilios Verleumdungs-Arie und als Zaccaria in Verdis Nabucco ebenso punkten kann wie  der Bariton Bogdan Baciu als Escamillo und als Barbiere. Einen recht unsicheren Eindruck hinterlässt dagegen der Tenor Eduardo Aladrén als Don José aus Carmen und Calaf.

Auch wenn die Deutsche Oper am Rhein in ihren Häusern in Düsseldorf und Duisburg auf großformatige Opernproduktionen mindestens bis zum Jahresende verzichten muss, wird doch die Neugier auf die Oper als Live-Erlebnis geschürt. Der Beifall auf dem Parkplatz fällt zwar stumm aus, aber das wilde Lichthupen-Feuerwerk drückt keine geringere Begeisterung aus als der übliche donnernde Applaus.

Pedro Obiera