O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Schlicht, aber schön

HIMMELFAHRTSORATORIUM
(Jan Dismas Zelenka, Johann Adolph Hasse, Johann Sebastian Bach)

Besuch am
22. Mai 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Bachverein Düsseldorf in der Auferstehungskirche, Düsseldorf

Nach den Wetterkapriolen der vergangenen Tage ist dieser Sonntag geradezu ein Hochgenuss. Abends gegen sechs Uhr zeigt das Thermometer 23 Grad, eine milde Abendsonne legt sich über Düsseldorf. Da denkt man darüber nach, wie man es sich auf dem Balkon noch ein wenig bequemer machen kann oder vielleicht auch noch mal den Grill anwirft. Aber Kirchenmusik? Gut, am kommenden Donnerstag ist Christi Himmelfahrt. Da könnte man sich seelisch, geistig und moralisch gut darauf vorbereiten und am Donnerstag lieber endlich mal wieder den Bollerwagen für den Vatertag aus dem Keller holen. Aber das geht schließlich auch, wenn man am Sonntag nicht in die Kirche geht. Und so ist wohl zu erklären, dass die Plätze in der Auferstehungskirche im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel weit über die Hälfte unbesetzt bleiben.

1914 wurde die evangelische Auferstehungskirche in Betrieb genommen, ein „architekturgeschichtlich wichtiges Zeugnis, das auf die rheinische Backsteinarchitektur der 1920-er Jahre vorausweist“. An der Ecke Quirinstraße und Arnulfstraße wurden Kirche, Pfarrhaus, Gemeindesaal und Verwaltungsgebäude zu einem baulichen Ensemble zusammengefasst, eine Neuheit der damaligen Zeit. Die Kirche ist ein „Saalbau mit Emporen, präsentiert sich mit hohem, barockisierendem Volutengiebel mit Jugendstilornamenten und einem herausgerückten oktogonalen Turm mit Bläsergalerie“. So beschreibt ihn die evangelische Gemeinde auf ihrer Website. Subjektiv empfindet man den Saal als einfach ausgestattet, aber gemütlich. Und, wie noch zu hören sein wird, als akustisches Kleinod.

Lavinia Dames und Choristen – Foto © O-Ton

Überpünktlich versammelt sich die Churpfälzische Hofkapelle aus Bensheim vor dem Altarraum, um entspannt die Instrumente zu stimmen. Ende der 1990-er Jahre von dem inzwischen verstorbenen Barock-Oboisten Matthew Peaceman gegründet, spielt das Ensemble auf alten Instrumenten in historisch-informierter Aufführungspraxis und hat sich auf das Repertoire des 17. bis 19. Jahrhunderts kapriziert. Zwei Minuten vor Beginn des Konzerts sind die Instrumente gestimmt, und es kehrt eine wunderbare Ruhe in der Kirche ein. Gelegenheit für alle, sich in aller Gelassenheit auf die kommenden Ereignisse zu konzentrieren.

Erst nachdem die Kirchenglocken verklungen sind, betritt der Chor den Saal. Ungewöhnlich ist die Aufstellung an diesem Abend, denn die Solisten nehmen zwischen Chor und Orchester Platz, was aber wohl eher dem kleinen Altarraum als einer Dramaturgie geschuldet ist. Für diesen Abend hat sich der Bachverein Düsseldorf als Veranstalter unter der künstlerischen Leitung von Alexander Niehues ein eher schlichtes Programm ausgedacht. Den Anfang macht die Missa Gratias agimus tibi von Jan Dismas Zelenka, im 18. Jahrhundert Hofkomponist in Dresden. Bei ihrer Uraufführung 1730 dürfte die Messe allein durch den Mitteleinsatz ziemlichen Eindruck geschunden haben. Neben Chor und Solisten kommen im Orchester Trompeten, Holzbläser, Streicher und Generalbass zu Gehör. Das gefällt auch in der Auferstehungskirche, ohne dass sich hier jemand besonders echauffieren müsste. Ähnliches gilt auch für das Intermezzo in Form der Sinfonia in G, einem Werk für Streicher und Orgel von Johann Adolph Hasse. Der Churpfälzischen Hofkapelle gelingt ein ausgesprochen bezaubernder Klang, der fast schon mittelalterlich wirkt. Das ist durchaus als Kompliment gemeint, denn die Musik, die ursprünglich vielleicht für eher nicht so virtuose Instrumentalisten geschrieben wurde, wird hier hochglänzend dank der Streicher des Orchesters und des Raumklangs veredelt.

Emanuel Fluck und Choristen – Foto © O-Ton

Geradezu luxuriös geht es bei der Besetzung der Solisten zu. Das wird insbesondere beim Himmelfahrtsoratorium von Johann Sebastian Bach deutlich, mit dem das Konzert abschließt. Lavinia Dames, als Sopranistin Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, darf ihre Stimme ohne besondere Anforderungen schmelzen lassen. Auch Franziska Orendi, absolute Spezialistin für Kirchenmusik, zeigt sich hochentspannt, wenn sie ihren Alt durch das Rezitativ gleiten lässt. Tenor Gabriel Sin ist ebenfalls in der Kirchenmusik ausgesprochen erfahren und fügt sich fast schmeichelnd in das Gesamtgeschehen ein. Einen deutlicheren Akzent setzt Emanuel Fluck, als Bassist Mitglied des Chors der Rheinoper.

Und gibt es überhaupt etwas zu kritisieren an diesem Konzert, ist es der Choral. Vermutlich musikalisch gewollt und mühevoll eingeübt, sorgt der verschobene Einsatz der Stimmgruppen für einen überflüssigen Verlust an Transparenz und Verständlichkeit. Aber das ist dann auch Kritik, die Haare spaltet. Niehues, der bei diesem Konzert ebenfalls kaum gefordert ist und sich deshalb im Wesentlichen auf den Taktschlag konzentriert, ist mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden.

Damit ist er auf einer Linie mit dem Publikum, das frenetisch applaudiert und sich auf dem Heimweg hochzufrieden äußert. Anfang Oktober geht es dann für den Chor wieder in die Vollen. Im Rahmen des Internationalen Düsseldorfer Orgelfestivals wird er unter dem Titel Im Glanz der Gestirne Werke von Brahms, Esenvalds, Pärt, Vierne und anderen präsentieren.

Michael S. Zerban