O-Ton

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Foto © Ingo Schäfer

Aktuelle Aufführungen

Tanz durch zerklüftete Seelenlandschaften

HERZOG BLAUBARTS BURG
(Béla Bartók)

Besuch am
10. September 2021
(Premiere)

 

Deutsche Oper am Rhein, Oper Düsseldorf

Die Deutsche Oper am Rhein startet äußerst vorsichtig in die neue Saison. Mit Béla Bartóks düsterem Psychodrama Herzog Blaubarts Burg muss das Publikum kaum mehr als eine Stunde unter der Maske ausharren. Auch von nur zwei singenden Solisten und einer stark reduzierten Orchesterbesetzung dürfte nicht die geringste Infektionsgefahr ausgehen. Nicht gespart hat man dagegen an einer gewaltigen Stahlkonstruktion, die sich der Seelenlage der Protagonisten anpasst und sich entweder befreiend öffnet oder sie wie eine eiserne Krone zu erdrücken droht. Ein beeindruckendes Szenario von Bühnenbildner Markus Meyer und zugleich ein Höhepunkt der Produktion.

Regie führt Demis Volpi, der neue Chef des Rheinopern-Balletts, der fünf seiner Tänzer zur Illustration der geheimnisvollen Kammern von Blaubarts Burg einsetzt.

Foto © Ingo Schäfer

Judith, die ihre vornehme Familie und ihren Verlobten verlassen hat, folgt dem berüchtigten Herzog in seine freudlose Burg und besteht darauf, alle sieben Kammern zu erkunden. Chiffren für Blaubarts Seele, die er vehement verschlossen halten will. Den von Bartók mit genialem atmosphärischem Kolorit auskomponierten Einblicken in die zerklüfteten Seelenlandschaften des Herrschers versucht der Regisseur durch Tanzeinlagen Gestalt zu geben. In den bizarren Kostümen Carola Volles wird dadurch der Glanz der Waffen- und Schatzkammern damit nicht mehr und nicht weniger pittoresk angedeutet. Wenn die geöffnete Folterkammer einen Blick auf einen traurigen Knaben mit einem Luftballon erlaubt, sucht Volpi etwas tieferschürfend nach psychologischen Erklärungen für die zwanghafte Isolation des Herzogs.

Zum Glück übertreibt es Volpi nicht mit der Entschlüsselung der geheimnisvollen Aura. Der Mensch als letztlich unerklärliches Wesen gehört zur wesentlichen Botschaft des kongenialen Librettos von Béla Balázs, die bei der Uraufführung 1918 nach einem schrecklichen und sinnlosen Krieg beim Publikum noch sensibler angekommen sein dürfte als heute. Die choreografische Garnierung überzieht die Handlung mit einem märchenhaften Schleier, gipfelnd in der letzten Kammer, in der die früheren Frauen Blaubarts und letztlich auch Judith in einer Winterlandschaft wie Eisköniginnen aus einem Andersen-Märchen residieren.

Fein charakterisiert Volpi die Protagonisten. Hier die wissbegierige, die Mauern von Blaubarts Seele aufbrechende Judith, dort der autistisch in sich gekehrte Herzog. Gesungen wird in der ungarischen Originalsprache, was dem musikalischen Duktus entgegenkommt und der großartig spielenden und singenden Mezzosopranistin Dorottya Láng, einer gebürtigen Ungarin, nicht schwer fallen dürfte. Kongenial in seiner äußerlich passiven, innerlich aber erregten Haltung verkörpert Bogdan Taloş einen Blaubart, der nicht zuletzt mit seinem großen und dunkel timbrierten Bariton überzeugt.

Generalmusikdirektor Axel Kober greift auf eine von Eberhard Kloke arrangierte Fassung zurück, die die originale Orchesterbesetzung um etwa die Hälfte reduziert. Das erleichtert zwar den Sängern die Arbeit, schränkt aber doch das Volumen und die schillernde Farbigkeit des Klangs ein. Der Eindruck einer Notlösung lässt sich nicht verwischen, auch wenn Kober unter diesen Umständen noch ein Maximum an Spannung und Atmosphäre erzeugen kann.

Dankbarer Beifall für einen kurzen und ängstlichen Start in die neue Saison, der mit Manuel de Fallas Mini-Oper Meister Pedros Puppenspiel in zwei Wochen in noch knapperen zeitlichen Dimensionen fortgesetzt wird.

Pedro Obiera