O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Lange Abstinenz

ENSEMBLEKONZERT
(Diverse Komponisten)

Besuch am
2. Februar 2022
(Premiere)

 

Partika-Saal der Robert-Schumann-Hochschule, Düsseldorf

Drei Jahre liegt das letzte Ensemble-Konzert zurück. Drei Jahre sind im Leben eines Studenten eine wahnsinnig lange Zeit. Für besonders fleißige Studenten bedeutet das je nach Studiengang drei Viertel ihrer Gesamtstudienzeit. Für die Gesangsstudenten an den Musikhochschulen ist das besonders dramatisch, hatten sie doch auch schon ohne die Einschränkungen durch die Regierung im regulären Studium zu wenig Auftritte. Deshalb hat Thomas Gabrisch, Leiter der Opernklasse an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf, die erste Gelegenheit genutzt, erneut ein Ensemble-Konzert im Partika-Saal, dem Konzertsaal der Musikhochschule aufzuführen. Eigentlich bereiten sich die Studenten in der Opernklasse auf musiktheatralische Gesamtaufführungen vor. Aber jetzt geht es Gabrisch vordringlich darum, möglichst vielen der jungen Leute erst mal überhaupt wieder eine Auftrittsmöglichkeit zu geben. Und da ist so ein Ensemble-Konzert eine schöne Sache. Dass maximal 50 Gäste in den Partika-Saal dürfen, muss man dabei einfach in Kauf nehmen. Zwei Wochen haben die angehenden Sänger Zeit gehabt, sich unter erschwerten Bedingungen auf das Konzert vorzubereiten. Daraus erwächst ein erheblicher Organisationsaufwand, den die Studenten selbst bewältigt haben. „Die haben What’sApp-Gruppen für die einzelnen Ensembles gegründet und waren damit hochgradig flexibel“, erzählt Gabrisch.

Lina Wagner, Eetu Joukainen und Luzia Ostermann – Foto © O-Ton

Das Konzert findet unter einfachsten Bedingungen statt. Es reicht in der Organisation des Hochschulbetriebs nicht einmal, die Scheinwerfer in Betrieb zu nehmen. Die Sänger lassen sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Haben für das Konzert einen Ablauf entwickelt. Auf- und Abtritte, Positionswechsel, kleinere Geschichten sorgen für Abwechslung. Es ist grandios. Neuigkeiten darf man allerdings hier nicht erwarten, schließlich haben die Studenten erst mal das Repertoire zu erlernen. Da kann man mal ganz locker mit dem Sextett aus Così fan tutte von Wolfgang Amadeus Mozart beginnen. Gabrisch übernimmt wie in den folgenden Ensembles auch die Anmoderation. Da erfährt das Publikum von der Ausgangssituation ebenso wie von den folgenden Ereignissen. Mangels Mikrofon gerade mal so, aber es funktioniert. Übertitel gibt es selbstverständlich nicht. Die sind ja auch vollkommen überflüssig, weil die Sänger sich bemühen, Gefühle eher als Inhalte zu vermitteln, mit Körpersprache und Intonation die Geschichten zu erzählen, so, wie sie es – hoffentlich – gerade lernen. Und das gelingt in weiten Teilen wunderbar.

Nach dem Terzett aus La clemenza di Tito, in dem Eetu Joukainen neben Lara Grote und Thomas Büscher aufleuchtet, wird das Finale des ersten Akts aus Don Giovanni dargeboten. Ein Fest der Gesangsklasse von Konrad Jarnot. Ein Zeichen für die Verbundenheit zu „ihrer“ Opernklasse gibt Katharina Woesner, die als Alumna zu Gast ist, um Donna Anna zu singen. George Clark als Don Giovanni steht ebenso kurz vor dem Ende seines Studiums wie Tomas Kildisius, der hier den Leporello gibt. Noch im Bachelor-Studium begeistert Luiza Bardan als Zerlina mit Spielfreude und himmelblauem Kleid. Ilja Aksionov als Ottavio, Pauline Asmuth als Elvira und Büscher als Masetto vervollständigen den großen Auftritt, letzterer aus der Klasse von Ludwig Grabmeier. Hier übernimmt Gabrisch die Klavierbegleitung, für die zunächst Indira Farabi zuständig war und noch einmal im Schlussensemble sein wird.

George Clark und Luiza BardanFoto © O-Ton

Und damit ist es dann auch mal gut mit Mozart. Mit dem Quartett aus dem dritten Akt der Bohème von Giacomo Puccini gibt es schon mal einen Ausblick auf kommende Ereignisse. Denn im April wird es nach langer Pause endlich wieder eine Opernaufführung geben. Regisseur Ansgar Weigner, dessen Arbeiten Don Pasquale und Rusalka derzeit am Theater Krefeld Mönchengladbach zu erleben sind, hat sich bereit erklärt, die szenische Arbeit zu übernehmen. Wer dann allerdings der Mimì Ausdruck und Persönlichkeit verleiht, will Gabrisch noch nicht verraten. Die heutige Besetzung mit Daeun Cheong ist auch nicht als Hinweis zu verstehen. Ob Julia Marszalkowski als Musetta, Jakob Kleinschrot als Rodolfo oder Tomas Kildisius als Marcello zu hören sein werden, bleibt ebenfalls Geheimnis. Weniger geheimnisvoll als märchenhaft geht es im nächsten Terzett zu, wenn das dritte Bild aus Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel gezeigt wird. Viel Spaß bereitet Joukainen ohne Kostüm als Hexe, auch Lina Wagner, wie Cheong aus der Klasse von Sophia Bart, als Gretel und Luzia Ostermann, die unter den Fittichen von Anja Paulus steht, als Hänsel zeigen sich von ihrer besten Seite.

Nach diesem Vergnügen ist der eigentliche Glanzpunkt des Konzerts an der Reihe. Die Studenten haben sich Eugen Onegin von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky gewünscht – auf Russisch. Dabei gab es keinen Sprachcoach, sondern die russischsprachigen Sänger haben ihre Kommilitonen eingearbeitet. Die Qualität der Bemühungen werden die wenigsten im Publikum tatsächlich beurteilen können, aber allein der zusätzliche, freiwillige Arbeitsaufwand nötigt doch erheblichen Respekt ab. Er unterstreicht einmal mehr die Einsatzfreude, die an diesem Nachmittag allgegenwärtig ist. Insbesondere Julia Wirth, ebenfalls Jarnot-Schülerin, kann – ganz ohne sprachliche Vorkenntnisse – als Tatjana in der Briefszene glänzen. Dem opulenten Auftritt folgt das ganz große Ensemble der Schlussfuge aus Giuseppe Verdis Falstaff. Hier kommen auch Kim Holtappels, George Gamal, beide in der Klasse von Jarnot, Marlene Unterfenger aus der Klasse von Paulus, Forma Dimas Saputro unter den Fittichen von Laske und Vincent Kepser als Schüler von Ursula Hesse von den Steinen zum Einsatz.

Das überwiegend ältere Publikum – wer hat schon am Mittwochnachmittag Zeit? – darunter etliche Chorsänger, ist schier begeistert ob der Leistungen der jungen Menschen, die sich von vielen, vor allem coronabedingten Erschwernissen im Studium nicht von ihrem Traum abbringen lassen. Heute Nachmittag gibt es schon jede Menge Stimmen, von denen man sich vorstellen kann, sie später einmal auf den Opernbühnen wieder zu hören. Am kommenden Samstagnachmittag findet das Konzert in leicht veränderter Besetzung noch einmal statt.

Michael S. Zerban