O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Matter Mozart-Glanz

LA CLEMENZA DI TITO
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
9. Oktober 2021
(Premiere)

 

Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf

Es ist die erste große Opernproduktion der Deutschen Oper am Rhein in uneingeschränkt voller Besetzung: sowohl auf der Bühne, im Orchestergaben als auch im Zuschauerraum. Ein hoffnungsvolles Signal, auch wenn bereits die Originalbesetzung von Mozarts Oper La Clemenza di Tito – Die Milde des Titus – überschaubar angelegt ist. Mozarts vorletzte Oper erfreut sich keiner besonderen Beliebtheit. Komponiert für die Krönung Kaiser Leopolds II., greift Mozart auf musikalische Formen und dramaturgische Elemente der an sich überwundenen Opera seria zurück. Ein reines Auftragswerk also. Aber was heißt das bei Mozart schon? Auf die raffinierten und komplexen Ensembles der bekannteren Opern muss man zwar verzichten, aber selbst ein relativ handlungsarmes „Arienkonzert“ zu einem historischen Stoff wie der Tito entpuppt sich als musikalische Goldgrube.

Was nicht zuletzt daran liegt, dass Mozart die Huldigungs-Hymne auf die Milde und Gerechtigkeit des Kaisers zu einem filigranen Psychogramm menschlicher Schwächen, Hoffnungen und Irrungen veredelt. Der historisch verzerrten Großzügigkeit und Milde des römischen Kaisers Titus, der in der Oper allen Verschwörern, darunter engste Vertraute und Geliebte, nach einem missglückten Mordanschlag die Hand zur Versöhnung reicht, misstraut Regisseur Michael Schulz, seines Zeichens Intendant des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier. Schulz lässt die vier Haupttäter und Verdächtigen eiskalt erschießen, nachdem sich Tito vom Volk als gnädiger Herrscher feiern ließ. Es ist die einzige Wendung, mit der sich Schulz von der Vorlage löst. Und es ist schade, dass vorher nichts davon zu spüren ist, dass der Kaiser seine Milde als populistische Fassade nutzt.

Denn gerade die Titelfigur wirkt in der Inszenierung nur unsicher, wankelmütig und überfordert, aber nicht raffiniert, machtorientiert und hinterlistig. Das ist umso bedauerlicher, da die Spannung in diesem Werk ausschließlich aus dem Ausdrucksgehalt der Arien und nicht aus dramatischen Effekten bezogen werden kann. Keine leichte Aufgabe für einen Regisseur. Der erfahrene Schulz weiß zwar, wie man Figuren führt, wie man Eifersucht, Zuneigung, innere Zweifel und alle sonstigen menschlichen Reaktionen szenisch umsetzen kann. Allerdings schlängelt er sich bis zum eigenwilligen Schluss so brav und routiniert am Text entlang, dass sich über Strecken das Gefühl höfischer Steifheit einstellt. Das neutrale, kühle Bühnenbild von Dirk Becker – ein Palais mit dem Interieur einer Fabrikhalle – unterstreicht diesen Eindruck.

Das alles kann eine Mozart-Oper verschmerzen, wenn die musikalische Qualität stimmt. Kapellmeisterin Marie Jacquot führt sängerfreundlich durch den Abend, kultiviert, den emotionalen Fassetten der Musik sensibel nachgehend, ohne den Düsseldorfer Symphonikern allerdings den letzten Schliff an klanglichem Glanz entlocken zu können.

Die Wirkung dieser Oper hängt essenziell von den Sängern ab. Die bewegen sich ebenfalls auf hohem Niveau, auch wenn Jussi Myllis in der Titelrolle trotz seiner angenehmen lyrischen Tenorstimme blass wirkt. Sarah Ferede als seine rachsüchtige Geliebte, Verräterin und Gattin in spe Vitellia setzt stärkere stimmliche Akzente. Ihr Sopran verhärtet sich jedoch in den Höhen. Die dankbarste und schillerndste Rolle ist Titos Freund und Beinahe-Mörder Sesto zugewiesen. Eine Aufgabe, die Maria Kataeva mit Bravour löst. Auch Anna Harvey als Annio und Heidi Elisabeth Meier als Servilia lassen eine Menge an Mozartischem Wohllaut hören. Die etwas steife Partie des Publio füllt Torben Jürgens rollendeckend aus.

Viel Beifall für einen Mozart-Abend mit Licht und Schatten.

Pedro Obiera