O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Susanne Diesner

Aktuelle Aufführungen

Publikumsmagnet

BRUCKNER 8
(Anton Bruckner)

Besuch am
10. Februar 2023
(Premiere)

 

Tonhalle Düsseldorf

Das Publikum tobt, Bravo-Rufe hallen durch den Saal. Die überbordende Begeisterung gilt nicht nur dem Dirigenten, sondern eindeutig auch den Düsseldorfer Symphonikern. Von denen steht die Hälfte mit Leichenbittermiene auf der Bühne, ein Phänomen, das sie durchaus mit anderen Orchestern teilen. Was haben wir euch eigentlich getan, dass ihr uns die Laune an einem schönen Abend verderben müsst? Selbst ein Kellner weiß, dass es der Sache dienlich ist, den Gast zur Begrüßung und zum Abschied anzulächeln. Gehört mit zum Beruf. Wenn ein Dienstleister sich nicht dazu berufen fühlt, seinen Dienst ordentlich bis zum Schluss zu leisten, sollte er darüber nachdenken, ob er in seinem Beruf richtig aufgehoben ist. Orchestermusiker gehören bekanntlich nicht zu den unterprivilegierten Lohngruppen. Aber sie gehören zu den wenigen Berufsgruppen, deren Arbeit unmittelbar nach Abschluss sogar Applaus bekommt. Da darf man als Besucher erwarten, dass die Musiker wenigstens so tun, als freuten sie sich ebenfalls über einen extrem gelungenen Abend. So selbstverständlich ist ein solcher Erfolg auch bei den Düsseldorfer Symphonikern nicht immer.

Aber heute Abend läuft es richtig rund. Schon die Ankündigung, Anton Bruckners Achte Symphonie in der zweiten Fassung von 1890 zum ersten Mal seit 33 Jahren wieder in der Düsseldorfer Tonhalle aufzuführen, wirkt wie ein Publikumsmagnet. So gut besucht hat man den Konzertsaal lange nicht mehr gesehen. Schließlich gilt die Symphonie als „Krone der Musik des 19. Jahrhunderts“. Und die Beinamen, die sie im Laufe der Zeit erhalten hat, sind mehr als vielversprechend. Die Tragische, die Monumentale, das Mysterium, gar die Apokalyptische wurde sie genannt. Dass niemand auf die Idee gekommen ist, der bis zu ihrer Entstehung längsten, jemals komponierten Symphonie mit rund 80 Minuten noch eine Pause und ein anderes Werk anzuhängen, wird im Übrigen Wirkung gezeigt haben.

Nicht ganz unbedeutend ist ja bei der Aufführung eines solchen Werkes auch, wer das Dirigat übernimmt. Und da scheint mit Asher Fisch doch ein guter Mann gewonnen. Daniel Barenboim sorgte dafür, dass der in Jerusalem geborene Pianist ins Dirigentenfach wechselte. Inzwischen kann Fisch auf zwei Einspielungen des Ring des Nibelungen zurückblicken. Die gute Kenntnis von Richard Wagners Musik kann nicht schaden, wenn man Bruckner aufführen will. Schließlich war der Österreicher selbst ein so großer Anhänger des gebürtigen Leipzigers, dass er lange Zeit als Wagnerianer bezeichnet wurde – um seiner Karriere zu schaden. In der achten Symphonie findet sich im dritten Satz überdies das Siegfried-Motiv als Zitat. Der sympathische Auftritt des Dirigenten sorgt für ein Übriges.

Sein souveränes, unaufgeregtes Dirigat wirkt auf den Laien schon fast ein wenig enttäuschend. Das Orchester aber scheint seine Arbeit zu lieben. Wie ein schweizerisches Präzisionsuhrwerk funktionieren die Einsätze. Und nicht nur für die Ohren gibt es höchsten Genuss, die Arbeit beispielsweise der Streicher ist auch visuell eindrucksvoll. Physiotherapeuten haben bei diesem Anblick vermutlich das Glänzen in den Augen angesichts zukünftiger Patienten, weil diese Arbeit kaum ohne nachhaltige Schäden der Handgelenke vonstattengehen kann.

Einmal mehr erweist sich diese Perle der Romantik in einer brillanten Aufführung als Juwel. In den kommenden Tagen sind zwei weitere Aufführungen vorgesehen. Ach ja, und nach dem Konzert rennen die wenigsten gleich nach Hause. Im „Grünen Gewölbe“ wird das gastronomische Angebot ausgiebig angenommen. Denn es gibt eine Menge zu schwärmen, ganz ohne noch ein Stück hintendran, um auf die Catering-Pause und zwei Stunden zu kommen. Eine gelungene Idee.

Michael S. Zerban