O-Ton

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Foto © Bernhard Weis

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Häppchen, die hoffen lassen

A FIRST DATE – EPISODE 3
(Demis Volpi, Andrey Kaydanovskiy)

Besuch am
4. Oktober 2020
(Premiere am 13. September 2020)

 

Deutsche Oper am Rhein, Oper Düsseldorf

A First Date nennt Demis Volpi, der neue Direktor des Balletts am Rhein, die ersten Gehversuche, mit denen er seine Compagnie unter den geltenden Corona-Bedingungen in Bewegung halten will. Sicher keine ideale Startposition, wenn man in die Fußstapfen eines Martin Schläpfers treten muss. In drei Episoden werden dem Publikum mehr oder weniger überzeugende Mini-Choreografien präsentiert, die gewiss dazu taugen, das Ensemble für größere Aufgaben der Zukunft vorzubereiten. Die Besucher können sich immerhin darüber freuen, dass überhaupt wieder getanzt wird.

Für die dritte und letzte „Episode“ versuchte Volpi sogar, die fünf Stücke in ein konzeptionelles Format zu pressen, was sich im Programmblatt eher nachvollziehen lässt als auf der Bühne. Demis Volpi: „Können wir ohne einander (Big Blur)? Was kann ein Miteinander sein? Nur traute Einigkeit oder auch Konflikt. Fragen, Zweifel? Ein erstickter Schrei bricht sich Bahn (Elegie). Manchmal geht ein Weg vielleicht nicht Hand in Hand, aber dennoch gemeinsam – mit größter Leichtigkeit in parallelem Schritt (Chalkboard Memories). In der Auseinandersetzung mit sich selbst löst sich der Schatten von Körper und folgt seinem eigenen Kopf (Quasi una Fantasia). Am Ende bleibt der sehnliche Wunsch: Verlass mich nicht (Love Song).“

Foto © Bernhard Weis

Große Worte und Versprechen, die am ehesten in den kürzesten Stücken eingelöst werden. Und da schneiden die Ausschnitte aus Demis Volpis eigener Choreografie Quasi una Fantasia, 2014 in Santiago de Chile uraufgeführt, besonders gut ab. Zur meditativen Musik aus dem 2. Streichquartett Henryk Góreckis zelebriert die weiß gewandete Maria Luisa Castillo Yoshida einen inspirierten Monolog, in dem sie sich allmählich von dem schwarz gekleideten Schatten ihrer Partnerin Courtney zu lösen versucht. Ein bizarrer, erfreulich präzis getanzter Pas de Deux im Spannungsfeld von Synchronität und Auflösung, von Nähe und Distanz.

Eine Intensität, die auch Andrey Kaydanovskiy in seiner Choreografie Love Song zu Jacques Brels Chanson Ne me quitte pas erreichen kann, uraufgeführt 2014 in Wien. Feline van Dijken und Eric White verbreiten eine sinnliche Aura und eine Prise Humor, die man in diesem Programm sonst vergeblich sucht.

Erst recht nicht in dem längsten Stück des Programms, Ausschnitten aus Volpis Arbeit Big Blur, entstanden vor zehn Jahren für das Stuttgarter Ballett. Zu monotonen Schlagzeugklängen Philippe Ohls kommt es zwischen sechs Personen zu verschiedenen Beziehungsszenarien, die in puppenhaft mechanischen Bewegungsformationen ausgedrückt werden. Sowohl die auf Schwarzweiß reduzierte Optik der Kostüme und Beleuchtung als auch die starren Bewegungsabläufe und erst recht die stereotype Musik hinterlassen auf Dauer einen kühlen, wenig menschlichen Eindruck.

Den kann man der von Futaba Ishizaki filigran ausgeführten Elegie gewiss nicht absprechen. Eine Arbeit von Volpi, die er 2014 für das Lettische Nationalballett kreierte. Die introvertierten Klänge des 2. Streichquartetts von Pēteris Vasks verbreiten eine transzendente Stimmung und bieten der herausragenden Tänzerin beste Voraussetzungen, ihre ausdrucksstarke Kunst zum Ausdruck bringen zu können.

Man kann die drei Episoden des First-Day-Projekts als Gemischtwarensammlung abtun. Immerhin gibt die Vielzahl der Choreografien jedoch einen kleinen Einblick auf das, was wir von Demis Volpi erwarten dürfen. Und das lässt hoffen.

Pedro Obiera