O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Klaus Gigga

Aktuelle Aufführungen

Gute Stimmen – blasse Regie

ARABELLA
(Richard Strauss)

Besuch am
30. März 2023
(Premiere 2014)

 

Semperoper, Dresden

Im Zuschauerraum herrscht eine gewisse Spannung, etwas mehr, als an einem normalen Opernabend: David Afkham gibt sein Hausdebüt in der Arabella. Im Jahr 2018 war er schon zu einer Vertretung an der Semperoper, nun ist Christian Thielemann aus gesundheitlichen Gründen verhindert, und der Chefdirigent des spanischen Nationalorchesters in Madrid tritt in dem nicht ganz ausverkauften Haus ans Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Zudem springt die Sängerin der Arabella, Jacquelyn Wagner, kurz vor den Schlussproben ein. Auch die Fiakermilli musste umbesetzt werden, Gloria Rehm singt.

Regisseurin Florentine Klepper und ihre Bühnenbildnerin Martina Segna präsentieren dem Zuschauer drei Zimmer eines heruntergekommenen Hotels, die immer wieder seitlich hin- und herfahren. Laut der Einführung durch die Dramaturgie ein Wanken, das der Handlung und der Zeit um die Jahrhundertwende angepasst sei, aber eher einfallslos wirkt. Überhaupt ist die Regie der Schwachpunkt dieser Inszenierung, zu wenig ist Klepper und ihrem Team eingefallen, um die inneren Vorgänge augenfällig zu machen. Natürlich hängt da ein Kristallleuchter, der seine besseren Tage längst gesehen hat, und selbstverständlich sind die Tapeten zerschlissen und abgenutzt. Das Grand-Hotel, in dem der bankrotte Graf Waldner mit seiner Frau und den beiden Töchtern abgestiegen ist, weist ein äußerst dürftiges Mobiliar auf. Später weitet es sich zu einer Empfangshalle mit Aufgängen, zwei Sitzmöglichkeiten und einem Aufzug. Hierin findet sich eine Blumen streuende Brautjungfer und später ein Double des Brautpaares Arabella und Mandryka, die mitten im Raum auf halbem Weg hängen bleiben und dem wirklichen Paar beim Parlieren zusehen. Ein vorweggenommenes Happy End sozusagen. Man hat immer wieder den Eindruck, dass die Regisseurin gerne mit dem Holzhammer auf Zusammenhänge hinweist. So beispielsweise, wenn die Bärin aus Mandrykas Wäldern leibhaftig neben der kleinen Arabella in Erscheinung tritt. Das Kind ist gerade dabei, das stahlblaue Ballkleid mit dem Schwanenbesatz zu zerschneiden, das Arabella auf dem Bild trägt, in das sich Mandryka sofort verliebt hat. Der Psychoanalyse um die Jahrhundertwende, in der das Regieteam das Stück ansetzt, sei Dank. Einzig beim Fiakerball kommt Bewegung in die Szene, wenn die Fiakermilli peitschenschwingend die Männer antreibt und die Chorherren genüsslich eine weibliche Skulptur auf dem Tablett wie ein Spanferkel verspeisen. Wegen der Inszenierung muss man sich diese Arabella nicht antun. Ganz anders sieht es bei den Sängern aus.

Foto © Klaus Gigga

Jacquelyn Wagner hat diese Rolle schon stark verinnerlicht. Sie hat die emotionale Tiefe für die Rolle, und wenn sie anfangs Er ist der Richtige nicht singt, spürt man im Ton, dass sie da schon jemand anderen im Herzen hat. Eine noble, reiche Stimme mit wunderbarem Timbre ist das, die ohne Anstrengung in die Höhe geht und große Momente im Leisen, im Melancholischen hat. Ihr „Nein, er sieht nicht herauf – er geht vorüber“ trägt den Schmerz der Welt. Sicherlich hätte sie auch darstellerisch mehr zu bieten als das Stehen an der Rampe, zu dem sie die Regie vor den hin und her fahrenden Zimmern des Hotels anhält.

Ihr zur Seite steht eine unglaublich wache und stimmlich präsente Zdenka, die als Knabe und auch als Mädel völlig überzeugt. Nikola Hillebrand ist eine ideale Ergänzung der Arabella, fügt sich im Duett mit ihrem helleren, farbenreichen Sopran sehr gut zur Stimme von Wagner. Überhaupt harmonieren beide Sängerinnen sehr gut miteinander, wenn sie auch in der seltsamen Personenregie meist nebeneinanderstehen müssen. Hillebrand agiert innerhalb dieses Rahmens überzeugend und macht die Zdenka zu „ihrer“ Rolle – das Publikum dankt es ihr am Ende mit stürmischem Applaus.

Wie schön wäre es, wenn sich nun auch Mandryka hier einfügte. Aber von Anfang an bleibt Bariton Bo Skovhus blass, mit weichem, etwas verschwommenem Timbre, zudem von der Regie als etwas tölpelhafter Bursche vom Land degradiert, der sich nicht recht zu benehmen weiß, fernab eines virilen Drängens. Einzig in der Eifersuchtsszene geht er mehr aus sich heraus.

Foto © Klaus Gigga

Christa Mayer als Adelaide gibt eine Mutter mit durchschlagskräftigem, großem und wohltönendem Mezzo und lässt zusammen mit der ebenfalls stimmgewaltigen Petra Lang als Kartenaufschlägerin die Oper fulminant beginnen. Kurt Rydl als Graf Waldner kostet mit großer Erfahrung die komödiantischen Seiten des Stückes aus und verbreitet gekonnt Wiener Schmäh. Pavol Breslik ist ein glaubwürdiger Matteo mit heller, leicht-lyrischer Stimme. Gloria Rehm pfeift als Fiakermilli mit großem Elan ihre sauberen Spitzentöne den Herren um die Ohren und mischt die Szene peitschenschwingend auf. – Warum gerade hier, wo viel zu sehen ist, zwei große Scheinwerfer direkt vom Bühnenboden ins Publikum blenden, erschließt sich dem Zuschauer nicht. Graf Elemer, Tansel Akzeybek mit heller, drängender Stimme besitzt Glut, Graf Dominik, Sebastian Wartig mit schmeichelndem Bariton, und Graf Lamoral, Martin-Jan Nijhof mit geschmeidigem, aber durchaus forderndem Bass – sie bilden ein klangschönes Trio, das vergeblich versucht, bei Arabella zu punkten.

Die Sächsische Staatskapelle unter dem Arabella-erfahrenen David Afkham legt im Lauf des Abends immer mehr an Intensität zu. Besonders schön sind die leisen Stellen, in denen er seine Sänger mit wohligem Klang umschmeichelt. Aber auch Walzerseligkeit, große Gefühle, Enttäuschung und Wut gelingen gut. Afkham zeichnet weich, unterstützt die Sänger, die nicht gegen das Orchester ansingen müssen. Aber auch ausladend und fordernd ist er, und die Musiker folgen ihm gerne, zupackend, knackig. Und wenn am Ende die Wasserglas-Szene zu einem innigen Moment der Liebe und Hingabe wird, haben die Musiker im Graben einen großen Anteil daran.

Jutta Schwegler