Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
ORPHEUS IN DER UNTERWELT
(Jacques Offenbach)
Besuch am
22. November 2023
(Premiere am 11. November 2023)
Einen ungetrübt unterhaltsamen Abend beschert das Dortmunder Theater mit einer Neuinszenierung von Jacques Offenbachs Operetten-Hit Orpheus in der Unterwelt. Und das ohne allzu tiefe Griffe in die Klamottenkiste, die deutsche Bühnen für Offenbach so gern und besonders weit öffnen. Selbst der Hype um Offenbachs 200. Geburtstag vor vier Jahren und die noch aktuelle Inszenierung von Regisseur Barrie Kosky an der Deutschen Oper am Rhein brachten mehr Klamauk als Esprit hervor.
Auch die Dortmunder Inszenierung ist eine deutsche Angelegenheit, wenn auch eine erfreulich geschmackvolle. Deutsch geprägt ist nicht nur die deutschsprachige Fassung, sondern auch eine Regie, die auf jedes französische Accessoire oder Flair verzichtet. Natürlich berühren den heutigen Zuschauer Offenbachs spitze Nadelstiche gegen die Amouren Napoleons III. und die Gesellschaft des Zweiten Kaiserreichs kaum noch. Zum Glück verzichtet der versierte Regisseur Nikolaus Habjan auf vordergründige Übertragungen auf aktuelle politische Persönlichkeiten. Was Esprit und Feinsinn gewiss nicht förderlich wäre.
Habjan bettet die Handlung in ein aufwändig gestaltetes Comic-Szenario. Eurydike wird in einer Wellness-Oase von dem inkognito als Bademeister agierenden Unterwelt-Boss Aristeus alias Pluto umschwärmt, von ihrem geigenden Gatten genervt und letztlich von der Schlange gebissen. Das Orchester ist dekorativ im Pool postiert. Beim Einzug in den Olymp und später in die Unterwelt beschwört Habjan antike Bilderwelten, hell im Elysium, dunkel im Hades, angereichert mit zahlreichen witzigen Anspielungen auf Comic- und Film-Stereotypen, wenn etwa Hans Styx in Gestalt einer Nosferatu-Kopie seine verlorengegangene Attraktivität beklagt. Diana stößt markant ins Horn, Cupido hüpft federleicht wie eine Putte über die Bühne und Venus ist sich ihrer Schönheit bewusst.
Foto © Björn Hickmann
Bei aller Turbulenz hält Habjan die Grenze zu krawalligem Klamauk stil- und geschmackssicher ein, so dass eine Menge von Offenbachs pointierter Ironie über die Bühne kommt. Perfekt wäre es, wenn das sehr aktiv umherwirbelnde achtköpfige Tanzensemble auf manche tuntenhafte Einlage verzichten dürfte.
Alternierend mit zwei Kollegen sorgt Kapellmeister Koji Ishizaka mit den Dortmunder Philharmonikern und dem groß auftrumpfenden Chor für einen rasanten Ablauf des Abends. Und das Ensemble überschlägt sich schier vor Spielfreude und wird auch den gesanglichen Anforderungen vollauf gerecht. An der Spitze rangiert Rinnat Moriah in der besonders anspruchsvollen, mit artistischen Koloraturen und Spitzentönen gespickten Rolle der Eurydike. Aber auch Partien wie die der Diana oder des Cupidos haben es in sich. Umso erfreulicher die vorzüglichen Leistungen von Ruth Katharina Peeck und der jungen, hoffnungsvollen Soyoon Lee aus dem Opernstudio. Hervorzuheben sind auch Maria Hiefinger als bestimmende „Öffentliche Meinung“ und, als Gast, Steffen Schortie Scheumann als Hans Styx mit einem Kabinettstückchen komödiantischer Schauspielkunst. Fritz Steinbacher als Aristeus alias Pluto und Zachary Wilson als Orpheus führen die Männerriege an.
Insgesamt ein unterhaltsamer Abend ohne nennenswerten Tiefgang, aber auch ohne geschmacklose Entgleisungen. Begeisterter Beifall für alle Akteure.
Pedro Obiera