O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Glamouröse und fetzige Operetten-Revue

DIE LUSTIGE WITWE
(Franz Lehár)

Besuch am
29. Januar 2022
(Premiere)

 

Oper Dortmund

Ein Hauch vom Glamour und Pep der großen Revue-Theater aus den „Goldenen Zwanzigern“ umweht die Neuinszenierung von Franz Lehárs Dauerbrenner Die lustige Witwe im Dortmunder Opernhaus. Thomas Enzinger, der, in Dortmund bereits mehrfach hervorgetreten, seit fünf Jahren als Intendant des Lehár-Festivals in Bad Ischl dem lange vernachlässigten und unterschätzten Genre der Operette frischen und kreativen Schwung verleiht, ist diesmal ein besonderer Coup gelungen.

Enzinger stützt sich auf eine Berliner Fassung aus dem Jahre 1928, die das Werk als flotte, freche und optisch opulente Revue-Operette präsentiert. Auch wenn der genaue Ablauf der damals fünfstündigen Produktion nicht überliefert ist, erarbeiteten Henning Hagedorn und Matthias Grimmiger aus zahlreichen Belegen und Quellen eine Version, die eine Vorstellung vom vergnügungssüchtigen und experimentierfreudigen Musiktheater der Zwanziger Jahre vermittelt.

An der damaligen Fassung war Franz Lehár übrigens selbst beteiligt, so dass alle Eingriffe vom Komponisten abgesegnet waren. Die wichtigsten Änderungen: Musikalisch passte man fast alle Nummern den Jazz-Einflüssen der Zeit an, so dass die Musik rhythmisch und klanglich der zeitgleich aufgeführten Dreigroschenoper Kurt Weills nähersteht als plüschig instrumentierten Operetten-Klischees. Zu einer Hauptrolle avanciert das Ballett, das quasi ständig aktiv ist, die Gesangsnummern mitgestaltet und mit zusätzlichen Einlagen auftrumpfen darf. Der Zuschnitt der damaligen Fassung auf den legendären Bühnenstar Fritzi Massary stärkt die Rolle der Titelfigur Hanna Glawari, die einige für Valencienne vorgesehene Nummern übernimmt und sogar den frechen Weibermarsch anführt.

Für diese Lesart der Rolle bringt Rebecca Nelsen alles Erforderliche an Charisma, Charme, Esprit, Selbstbewusstsein, aber auch zärtlicher Sensibilität mit. Sowohl darstellerisch als auch gesanglich mit ihrem wandlungsfähigen, in allen Lagen mühelos ansprechenden Sopran. Dabei gelingt es dem Regisseur, die gar nicht so heitere Vorgeschichte der begehrten Witwe subtil anzudeuten, ohne das Thema zu zergrübeln. Vorwärtsdrang und rauschhafte Leichtigkeit bestimmen den dreistündigen Abend. Gespickt mit szenischen Überraschungen in Folge, aber, von kleinen Ausnahmen abgesehen, ohne überdrehte oder abgestandene Gags.

Angesiedelt ist das feingestrickte Spektakel in pittoresken Bühnenbildern von Toto, der sowohl das Ambiente eines Revue-Palastes als auch des Pariser Maxims üppig und pointiert einfängt und mit seinen Kostümen vom Frack bis zur knappen Grisetten-Korsage das Auge zusätzlich verwöhnt. Es glitzert, rauscht und knistert vor Pailletten, Fächern und Federboas.

Die tragende Rolle des Balletts hat Enzinger Gästen anvertraut, mit denen er in Bad Ischl erfolgreich arbeitet. So Evamaria Mayer, die mit ihren fantasievollen und geradezu virtuosen Choreografien ihre acht Tänzer nahezu pausenlos beschäftigt. Die nötige, jazzig-lockere orchestrale Kulisse liefern die pandemiebedingt reduziert besetzten Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von Philipp Armbruster.

Auch wenn in der Berliner Fassung das Ballett und vor allem die Titelfigur den größten Raum einnehmen, vernachlässigt Enzinger den Rest des Ensembles nicht. Matthias Störmer wirkt als Graf Danilo erfreulich jugendlich, wozu auch sein heller Tenor beiträgt. Gesanglich hervorragend gestalten Sooyeon Lee als Valencienne und Sungho Kim als Camille de Rosillon ihre heimliche Liaison. Hannes Brock als Baron Zita, Morgan Moody als mondäner Conférencier, Steffen Schortie Scheuermann als zerstreuter, bisweilen arg kalauernder Kanzlist Njegus sowie der Opernchor runden das Ensemble überzeugend ab.

Begeisterter Beifall für eine interessante, in jeder Hinsicht brillant ausgeführte Produktion mit hohem Unterhaltungswert.

Pedro Obiera