O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Jörg Landsberg

Aktuelle Aufführungen

Empathische Lady

MACBETH
(Giuseppe Verdi)

Besuch am
6. Januar 2024
(Premiere am 10. Dezember 2023)

 

Theater Bremen

Elisabeth Stöppler macht es sich nicht leicht mit ihren Inszenierungen. Tief reflektierend zeigt sie wenig Interesse an theatralischen Effekten. Sie sucht auch in den komplexesten, noch so abgedrehten und vom Wege abgekommenen Figuren nach dem Guten im Menschen. Das ist ihr in zahlreichen Produktionen als Hausregisseurin des Staatstheaters Mainz, aber auch als Gastregisseurin unter anderem in Gelsenkirchen mit Dvořáks Rusalka, Brittens War Requiem, Bellinis Norma und in der letzten Spielzeit noch in Düsseldorf mit Tschaikowskys Jungfrau von Orléans gelungen.

Allerdings standen da überwiegend verletzte, verletzliche, keineswegs bösartige Frauenfiguren im Focus. Geht dieses Konzept auch bei blutrünstigen Despotinnen wie der Lady Macbeth auf? In Bremen wagt sich die Regisseurin an Giuseppe Verdis Macbeth und dort stößt sie mit ihrer Ästhetik an die Grenzen dramaturgischer Glaubwürdigkeit. Die suggestive Stärke, mit der die Lady ihren leicht zu händelnden Gatten zu seinen Mordtaten antreibt, wertet Elisabeth Stöppler als Ausdruck feministischen Selbstbewusstseins. Da aber das Stück als Motivation nur pure Machtgier erkennen lässt, heftet sie der Figur empathische Züge an, die weder Libretto noch Musik mittragen.

Dass sie Bancos Sohn Fleance vor dem Mordanschlag bewahrt, ergibt ebenso wenig Sinn wie das Familienidyll von Macbeth und seiner Lady, wenn das kinderlose Paar zur Ballettmusik mit dem Knaben Ball spielt und wenig später die Kinder Macduffs meuchelt. Es ist sicher interessant, nachzuspüren, wie sich ursprünglich verdienstvolle, positive Persönlichkeiten wie Macbeth oder Jago zu unberechenbaren Mördern und hinterhältigen Verschwörern entwickeln können. Bei Macbeth‘ Gattin ist jedoch angesichts ihres puren Geltungs- und Machtdrangs nicht der geringste Milderungsgrund zu erkennen. Auch die ihr weibliches Selbstwertgefühl untergrabende Tatsache der Kinderlosigkeit reicht als Erklärungsversuch nicht aus.  Und Anzeichen von Reue zeigt sie nur im finalen und letalen Wahnsinn.

Dabei stellt die Regisseurin anfangs recht geschickt dar, wie sich das Paar gegenseitig antreibt. Macbeth und seine Gattin treten ständig zusammen auf. Die Hexen in dunklen Alltagskostümen, selbstbewusst rauchend, versteht Stöppler als Stimmen ihres Gewissens. Damit verlieren die Szenen ihre dämonische Energie und wirken ebenso blass wie der Auftritt der Geistererscheinungen. Die überwiegend schwarzen Kostüme und die ebenso dunkel ausgeleuchtete Bühne können dieses Manko nicht abfedern.

In den Bühnenbildern von Thilo Ullrich und Raimund Orfeo Voigt bildet ein gläserner Kubus das räumliche Zentrum, der die Innen- von der Außenwelt isoliert. Mal agieren die Figuren im Glashaus, mal schauen sie dem Treiben von außen zu. Nachvollziehbar ist die Konzeption nicht durchgängig. Eher schon die Idee, Macduff nach Macbeth‘ Tod den rechtmäßigen neuen König Malcolm erschießen zu lassen. Wodurch immerhin das Ende für einen endlos rotierenden Kreislauf der Gewalt geöffnet wird. Eine vertretbare Idee.

Musikalisch sorgt Stefan Klingele am Pult der Bremer Philharmoniker für jene dramatischen Knalleffekte, die auf der Bühne fehlen. Aber auch an zarten Tönen mangelt es nicht, wobei er bisweilen so straffe Tempi anschlägt, dass die Chöre wiederholt ins Stolpern geraten.

Für den bereits vor der Premiere erkrankten Bariton Elias Gyungscok Han übernimmt der Rollen-erprobte Hrólfur Saemundsson für die Premiere und alle folgenden Vorstellungen die Titelpartie. Stimmlich überzeugt er mit seinem markanten, kraftvollen Bariton ebenso stark wie vor zwei Jahren an der Deutschen Oper am Rhein. Auch an darstellerischer Intensität mangelt es nicht, trotzdem seine Wahnsinnsattacken recht plakativ wirken.

Auf begeisterte Zustimmung stößt Sarah-Jane Brandon, die die Lady Macbeth kultiviert und mit lyrischer Wärme beeindruckend singt. Durchaus dem menschlich angehauchten Profil der Inszenierung angemessen, obwohl dadurch eine Prise emotionaler Kälte verlorengeht. Hidenori Inoue steigert sich als Banco im Laufe der ersten beiden Akte und überzeugt am Ende mit profunder Bass-Schwärze. Einen stimmlich eleganten Macduff präsentiert Luis Olivares Sandoval mit seinem schön und ausdrucksvoll geführten Tenor.

Musikalisch bewegt sich die Produktion auf beachtlichem Niveau, szenisch verzettelt sich Stöppler diesmal mit einem gut gemeinten und intensiv durchdachten Konzept, das sich nicht immer schlüssig mit dem Stück deckt. Begeisterter Beifall für alle Mitwirkenden, vor allem für „Lady Macbeth“ Sarah-Jane Brandon.

Pedro Obiera