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„Ode to Joy“

BEETHOVEN-NACHT POWERED BY TELEKOM
(Diverse Komponisten)

Gesehen am
16. Dezember 2020
(Livestream)

 

Telekom-Forum, Bonn

Den 250. Geburtstag ihres berühmtesten Sohns hat sich die Stadt Bonn natürlich anders vorgestellt. Mit zwei Festprogrammen versucht man, wenigstens Reste der ursprünglichen Pläne einigermaßen würdig in Online-Präsentationen dem virtuellen Publikum bieten zu können. Gestartet wird mit einer dreistündigen „Beethoven-Nacht powered by Telekom“ im Telekom-Forum, einer großräumigen Mehrzweckhalle, die bis zur fertiggestellten Renovierung der Beethovenhalle 2024 (!) als Konzerthaus der Stadt dienen wird.

Man kann den Veranstaltern, die Beethoven Jubiläums GmbH in Kooperation mit dem Beethoven-Orchester Bonn und dem Projektsponsor Deutsche Telekom, nicht vorwerfen, sich mit der Gala-Nacht keine Mühe gegeben zu haben. Man bietet eine Phalanx von Musikern, Moderatoren, Schauspielern, Tänzern und Kabarettisten auf, mit der sich locker ein stattliches Zirkusprogramm oder eine stimmungsvolle Weihnachtsshow realisieren ließe. Allerdings lässt die Programmfolge erstaunlich wenig Vertrauen in die Kraft der Musik des Jubilars erkennen. Das Konzept ist eher darauf abgestimmt, Beethoven für Hörer unserer Zeit erst zurechtbiegen zu wollen. Beethoven im Original erklingt nur in Mini-Dosierung. Zu Beginn mit einem kleinen Klavierstück, vorgetragen von dem zwölfjährigen Bonner Pianisten Alejandro Gonzales, und am Ende mit dem Finalsatz der 7. Symphonie, von Dirk Kaftan und dem Beethovenorchester gediegen, aber nicht sonderlich feurig und pointiert interpretiert.

Um den Chor der Bonner Oper wenigstens kurz auftreten lassen zu können, greift man auf den endlos langen und nicht gerade stärksten Schlusssatz der Chorfantasie zurück, zusammen mit der Pianistin Olga Pashchenko. Ansonsten gibt es Beethoven, wenn überhaupt, nur in runderneuerter Form oder als vermeintliche Inspirationsquelle für eigene Ergüsse. Selbst Geiger Daniel Hope, Präsident des Bonner Beethoven-Hauses, macht da mit, indem er das Finale der Kreutzer-Sonate in einer fragwürdigen Orchesterversion vorträgt. Dass zuvor der Pantomime Marcus Schmidt und der Pianist Marcus Schinkel auf einem tragbaren Harmonium den gleichen Satz nutzen, um die Stimmungsschwankungen des Komponisten gestisch auszudrücken, ist so überflüssig wie der Auftritt der Kabarettistin Sarah Bosetti, die mit dem Komponisten herzlich wenig anzufangen weiß und lieber auf ihre frühen traumatischen Erfahrungen mit der Blockflöte zurückblickt, erstaunlich viel Verständnis für den kulturellen Lockdown zeigte und Hoffnung auf bessere Zeiten äußert. Die Kultur befinde sich derzeit im Kühlschrank, aber nicht in der Gruft.

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Der vorzüglichen Jazz-Sängerin Joy Denalane bereitet man keinen Gefallen, ihr zwei Liedbearbeitungen schottischer Lieder, natürlich in fetten Orchester-Arrangements, anzuvertrauen. Mit der hohen Lage tut sie sich intonatorisch sehr schwer. Immerhin nett anzusehen ist der Auftritt der Bonner Greenwood School of Irish Dancing, die zu einem weiteren schottischen Lied steppt. Gehaltvoller könnte es mit der Arietta aus Beethovens letzter Klaviersonate werden. Aber auch die scheint einem heutigen Publikum heute nur in verkürzter, verjazzter und vertanzter Version, wiederum ausgeführt von Marcus Schmidt und Marcus Schinkel, zumutbar zu sein.

Erst recht nicht ein Monstrum wie der Schlusssatz aus Beethovens „Neunter“. Niemand Geringerer als Quincy Jones wurde mit einer Komposition über das „Freude“-Thema betraut, und der mischt das schlichte Thema unter dem Titel Ode to Joy in routiniert-perfekter Manier von allen Seiten auf, glänzend instrumentiert, wobei allerdings die Teile am stärksten überzeugen, in denen von Beethoven nichts zu hören ist und in denen Jones seiner eigenen Inspiration vertrauen kann. Und wenn etwas keiner weiteren Aufbereitung bedarf, dann dürfte es das zahllos verhunzte und oft missbrauchte Ode-Thema sein.

WDR-Redakteurin Susan Link gerät, auch nach dieser Uraufführung, vor Begeisterung fast aus dem Häuschen. Und ihre Ankündigung der zweiten Auftragskomposition verheißt kaum weniger Sensationelles. Opus 2020 für großes Orchester von Max Richter. Ein fünfzehnminütiges, düsteres Lamento, eine klangliche Dauerschleife in Zeitlupe ohne jeden erkennbaren Bezug zu Beethoven. Sieht man von den nicht gerade glücklichen Lebensumständen des Komponisten ab, die Beethoven musikalisch allerdings vitaler bekämpfte als Richter mit seinem tönenden Bandwurm.

Mit ein paar biographischen Erläuterungen und Zitaten des Meisters garniert die Schauspielerin Anja Martin den bunten Abend, der der Bedeutung des Meisters nicht annähernd gerecht wird.

Pedro Obiera