O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Alle Welt ist eine Bühne

ALL THE WORLD’S A STAGE
(Fabian Hemmelmann)

Besuch am
18. November 2018
(Einmalige Aufführung)

 

Bonner Liedsommer, Historischer Gemeindesaal der Evangelischen Erlöserkirche Bonn-Bad Godesberg

Das war ein langer Sommer. Bis Mitte November reicht er, wenn es nach dem Bonner Liedsommer geht. Das Festival versüßte den Bonner Bürgern zum ersten Mal in diesem Jahr die heißen Tage mit Liederabenden unterschiedlichster Couleur. Der Erfolg war für den Einstand respektabel. Allerdings musste eine Veranstaltung abgesagt werden, weil eine Pianistin erkrankte. Als Folgetermin konnte eben erst der 18. November festgelegt werden. Mit der Konsequenz, dass die Pianistin abermals erkrankte. Jetzt allerdings wurde ein Ersatz gefunden, und so kann der letzte Abend des Bonner Liedsommers ordnungsgemäß im November stattfinden. Dass das Wetter, zumindest, was die Sonneneinstrahlung angeht, mitspielt, versteht sich da fast von selbst.

Der Veranstaltungsort ist gut gewählt und beeindruckend. Was sich da die Evangelische Kirche für einen Luxus in Bad Godesberg leistet, erlebt man sicher nicht alle Tage. Das Evangelische Gemeindehaus in der Kronprinzenstraße mit seinem historischen Gemeindesaal geht schon weit über die Vorstellungen eines evangelischen Veranstaltungsortes hinaus, fügt sich aber gut in die Umgebung ein. Schön, dass die Kirche für den Erhalt solch kostbarer historischer Gebäude sorgt. Der Saal ist eine Mischung aus vergangenen Zeiten und moderner Technik. Eine Bühne am Kopfende eröffnet vielfältige Möglichkeiten für die Nutzung. An diesem Abend steht sie allerdings bis auf einen Stuhl und einen Blumenstrauß leer. Davor ist ein Flügel aufgebaut. Und damit sind auch schon alle Zutaten für einen herausragenden Liederabend gegeben. Die denkbar einfache Lichttechnik auf der Bühne greift hier nicht, also muss auf irgendwelche Lichteffekte verzichtet werden. Grell ergießt sich das Saallicht über die Akteure. Ein Wermutstropfen. Aber es bleibt der einzige an diesem Abend.

Fabian Hemmelmann hat ein Liedprogramm zusammengestellt, das es in sich hat. Die Idee ist so einfach wie gut. Unter dem Titel All the World’s a Stage – also Alle Welt ist eine Bühne, sprich: Das Leben ist das eigentliche Theater – sammelte er Lieder, die zum in der Rückschau seltsamen Leben von William Shakespeare passen. Ein Sprecher sollte die Verbindung zu diesem Leben herstellen. „Ich habe die Form eines Fünfakters gewählt, in den eingebettet die Songs von Figuren des Stückes gesungen wurden. In jedem Akt widmen wir uns einem Hauptthema der Komödien und Tragödien: Angst und Zorn, Todesleid, Hexen- und Zauberspuk, komischer Übermut und Liebessehnsucht“, erklärt der Kurator. Herausgekommen ist dabei eine wunderbare Mischung von Liedern, die Texten aus der Lebenswelt Shakespeares gegenübergestellt werden.

Martin Lindsay – Foto © O-Ton

Ob das so gut funktioniert hätte, wenn Hemmelmann nicht über das Personal dieses Abends hätte verfügen können, darf bezweifelt werden. Für die erkrankte Pianistin ist Jürgen Glauss eingesprungen, der ob seiner Erfahrung eine tadellose Liedbegleitung ermöglicht. Man möchte ihn zweifelsohne auf dem Niveau eines Helmut Deutsch einordnen. Mit der gleichen Nonchalance bleibt er im Hintergrund, um den Sänger zu fördern. Ohne auch nur einen Moment auf die feinen Nuancen des Klavierspiels zu verzichten. Nach diesem Abend hätte man sich überhaupt keinen anderen Liedbegleiter gewünscht.

Ohne Hadern hat er die Lieder von Hanns Eisler, Wolfgang Fortner, Igor Strawinsky, Roger Quilter, Korngold, Finzi, Reimann und vielen anderen im Griff und bietet damit seinem Partner eine ideale Grundlage. Martin Lindsay erweist sich dabei als Goldschatz. Der Sänger ist längst über jede Kritik erhaben. Anstatt sich an Notenblättern festzuklammern, intoniert er gefühlvoll, mitunter mit atemberaubenden Piani oder auch scharfen Ausbrüchen – beides beherrscht er scheinbar spielerisch – nahezu immer freihändig die Lieder, die ihm ins Heft geschrieben wurden. Dabei hat er noch Zeit, sich frei zwischen Klavier und Bühne zu bewegen. Dass er mitunter etwas deklamatorisch daherkommt, nimmt man ihm ohne zu murren, ja, mit Bewunderung ab. Dass er vor fast leerem Haus spielt, merkt man ihm in keiner Sekunde an.

Ähnlich professionell trägt Andreas Durban seine Texte vor, die die Verbindung zu William Shakespeare herstellen. Er entführt die Zuschauer in die Zeit Shakespeares mit Schilderungen der Lebensumstände jener Zeit, führt in die Philosophie des Dichters, aber auch in den Genius des Poeten ein. Unterlässt dabei auch die Derbheit des Autors nicht, bewegt sich frei und engagiert im Textvortrag und sorgt damit für Engagement des Publikums.

Mit dem Abend setzt der Bonner Liedsommer ein wahres Glanzlicht am Ende einer langen Spielzeit, die man gerne mitverfolgt hat. Die Zeichen stehen – unabhängig von der überragenden Qualität dieses Abends – gut, dass auch die Finanzierung eines Liedsommers im kommenden Jahr gesichert werden kann. Sabine Krasemann, Künstlerische Leiterin des Festivals, schaut in eine positive Zukunft – und fährt jetzt zum erstem Mal nach sieben Jahren in einen Urlaub. Und wie sich das gehört, wird sie sich währenddessen Gedanken darüber machen, wie man das hochangesetzte Niveau dieses Jahres fortsetzen kann. Eine schwierige Aufgabe.

Michael S. Zerban