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Wie sich die Bilder manchmal gleichen. Die Turnhalle oder je nachdem die Mehrzweckhalle, muss nicht selten herhalten als Schauplatz für einen Opernstoff. Meist sind es buffoneske Partituren, die in den Kosmos der Körperertüchtigung verlegt werden, um dann mit aberwitzigem Schalk die meist einfach gestrickte Handlung voranzutreiben. Für die Lesart von Bedřich Smetanas Oper Die verkaufte Braut, die 1866 in Prag uraufgeführt wurde, hat sich Regisseurin Adriana Altaras zumindest inspirieren lassen. Im Herbst 2019 zeigte das Ständetheater in Prag eine frappant ähnliche Anschauung, allerdings von Donizettis Schalkoper Viva la Mamma.
Manchmal ist die Kopie besser als das Original, und wann genau die erste Turnhalle auf einer Opernbühne in Betrieb genommen wurde, ist ohnehin nicht bekannt. Altaras, die Schauspielerin, Autorin und Regisseurin, ist eine Garantin für anschauliche Verarbeitungen von Werken, die von Kollegen oftmals intellektuell überstrapaziert daherkommen. Und Altaras kann sogar Drama. Für Smetanas luftiges Opus, das in der Blütezeit der Operette entstand und für das sich der Komponist der beliebten Kunstform bediente, ist die zwirblige Künstlerin die erste Wahl. Es gibt anscheinend Gründe, dass die Braut nicht so oft verkauft wird. Sie liegen womöglich zum einen an der wenig spannungsgeladenen Musik Smetanas, und zum anderen am dürftigen Libretto von Karel Sabina.
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Die Geschichte der begehrten Marie aus einem Dorf in Böhmen, die auf Umwegen zu ihrem geliebten Hans findet, gehört in die Gattung belustigendes Volkstheater, wobei man sagen muss, dass die Boulevardstücke von Willy Millowitsch weit mehr Pepp hatten. Doch zurück zur Regisseurin, die es behände schafft, aus dem dünnen Süppchen ein schmackhaftes Drei-Gänge-Menü zu zaubern. Hier rappelt es in der Bühnen-Büx von Christoph Schubiger mit den fantasievollen Kostümen von Nina Lepilina. Altaras geht bei ihrer Arbeit filmisch vor und beherrscht das Handwerk einer agilen Personenführung ähnlich aus dem Effeff wie Kollege Philipp Stölzl, der unter anderem für Bregenz Verdis Rigoletto realisierte. Das Licht von Bernard Bieri ist wenig nuanciert, was die grelle Ästhetik dieser zweieinhalbstündigen Brautshow unterstreicht.
Keine Requisite bleibt auf der anderen: Wo im Saal gerade noch schwangere Frauen turnten und ein Liebespaar im Autoscooter Zärtlichkeiten austauschte, befindet sich Marie im nächsten Moment dank Zwischenwand im intimen Streit mit ihren Hippie-Eltern, die so gar nicht ins folkloristisch angehauchte Setting mit Polka und Trallala passen. Die Wechsel sind fliegend. Vom trauten Heim geht’s auf die Wiese mit Alpenblick, und ehe man sich versieht, landet man auf einer Gesellenparty, wo Mann auch mal Frau sein darf und munter das Bein im strassbesetzten Straps schwingt. Der Umstand, dass sich gefühlt jede zweite Opernproduktion der Genderschiene bedient, ist enervierend.
Für den Zirkus um die Braut, die sich gleich mit zwei balzenden Gockeln konfrontiert sieht, wühlt die Regie in der Trickkiste des Varietézaubers und lässt im Dreiakter gegen Ende tüchtig die Zirkusfreaks tanzen. Die überladenen Revueeinlagen, sei es mit einer Ballerina im Tutu, einem Scherzkeks im Bärenkostüm oder einer Artistin an den Strapaten, bringen reichlich Zwischenapplaus und herzhafte Lacher. John Uhlenhopp ist der glamouröse Direktor mit Schmalztolle, der nicht mit Zoten geizt und deshalb auch mal danebenhaut. Darstellerisch überzeugt der Mime, und er sollte auch gleich das Fach wechseln. Uhlenhopps strahlender Tenor von einst ist ausgereizt, und darum forciert der Sänger deutlich hörbar im Forte. Seine Phrasen werden dann von einem unschönen Schleuder-Vibrato begleitet.
Foto © Janosch Abel
Gesanglich müssen beim Liebespaar Marie und Hans Abstriche hingenommen werden. Evgenia Grekova ist die Braut, die sich traut und erstmal bitter enttäuscht wird. Ihre Rollengestaltung hat jedoch wenig Esprit, erst recht für diese hyperaktive Chose à la Altaras. Die Sopranistin betört zwar immer wieder mit filigranen Gesangslinien, vermag aber in der Dynamik kaum zu überzeugen. Und das, obschon das Orchester keine überhitzten Tutti auffährt. Nazariy Sadivskyy beeindruckt als fintenreicher wie burschikoser Zeitgenosse. Seine Melodieführung wirkt jedoch mitunter angestrengt, was im Forte einen leichten Schlingerkurs zur Folge hat. Andries Cloete hat schauspielerisch wie stimmlich den Bogen raus. Er ist als Kontrahent Wenzel der Hans guck in die Luft mit Henne im Arm und leidet nicht nur an einem Sprachfehler, sondern auch am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Das hindert Cloete nicht daran, mit seinem beweglichen Tenor schöne Kantilenen zu formen und mit lyrischem Glanz zu betören.
Die Nebenrollen sind in Bern solide besetzt, so unter anderen Sopranistin Orsolya Nyakas, die als Esmeralda mit klaren Konturen verzückt. Der Heiratsvermittler Kecal ist bei Altaras ein intriganter Dorfpolizist und der wird von Philipp Mayer mit Schelm, Charme und Schnurrbart verkörpert. Der Mann ist auch satt bei Stimme. Sein sonorer Bass reicht mitunter tief in den Keller. Der Chor und Extrachor von Konzert Theater Bern unter Zsolt Czetner ist eine wahre Ohrenweide und hält mit dem Fastforward der Regie locker mit. Dass die tschechische Komödie in Deutsch gesungen wird, macht hingegen wenig Freude. Es holpert gewaltig an manchen Stellen, wo eigentlich ein melodiös fließendes Tschechisch vorgesehen wäre.
Matthew Toogood sorgt am Pult für ein beschwingtes Hörvergnügen, das auch die folkloristischen Elemente fein säuberlich zum Klingen bringt. Sein Dirigat des Berner Symphonieorchesters hat Schwung und Schlagfertigkeit, und er scheut nicht davor zurück, das Operettenhafte in dieser Oper genüsslich auszukosten.
Der Premierenapplaus ist mit grossem Jubel gespickt. Zurecht. Bleibt zu hoffen, dass der gelungenen Produktion kein Corona den Garaus macht.
Peter Wäch