O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Rob Lewis

Aktuelle Aufführungen

Wenig Glanz, reiner Klang

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)

Besuch am
12. Dezember 2021
(Premiere)

 

Bühnen Bern

Die Bühnen Bern wollen sich wieder ins Zentrum des nationalen Opernwirkens bringen und wagen dafür mit Wagners 16-Stunden-Epos Der Ring des Nibelungen den großen Sprung ins kalte, rheinische Nass. Letzten Sonntag war Auftakt mit dem kürzesten Opus Das Rheingold, das mit lediglich zweieinhalb Stunden Spieldauer zu Buche schlägt. Die Erwartungen waren hoch, sie werden allerdings nur teilweise eingelöst. Das Regie-Rezept startet vielversprechend und mit wachen Ideen, löst jedoch die einzelnen Zutaten in keinem schlüssigen Gesamtbild auf.

Wer in der Oper Anerkennung sucht, der schielt nicht nach dem Applaus des Publikums, die Meriten kommen bekanntlich von höherer Warte. Was Kopfzerbrechen bereitet und nah am zeitgenössischen Regietheater ist, wird als gut empfunden. Die Musik, die eigentliche Emotion, wird an den Rand gedrängt. Ein sinnlicher Opernabend, der tief im Gemüt wühlt, ist so kaum möglich.

Mit Ewelina Marciniaks nüchterner Lesart zum Auftakt des Opern-Vierteilers führen Bühnen Bern ihre seit Jahren anhaltende «Tradition» von schmuck- und glanzlosem Musiktheater fort. Was in Berlin und Hamburg funktionieren mag, sorgte im beschaulichen Bern zumindest bis zum Intendantenwechsel mehrheitlich für Entgeisterung. Mehrere tausend Zuschauer wandten sich von ihrem Stadttheater ab. Eine dezidierte Orientierung an einem Publikum, das Affinität für Ästhetik hegt, zeichnet sich nach Verdis Don Carlos auch mit dieser Produktion nicht ab.

Marciniak stellt die Geschichte nicht auf den Kopf. Die Regisseurin trumpft mit pfiffigen Einfällen auf, wenn sie zum Beispiel die Goldnuggets von der Requisite einsammeln lässt oder die unsterblichen Götter mit ihrem eigenen Verblühen konfrontiert werden. Mit ihrer präzisen Personenführung sorgt sie mehrheitlich für Agilität und bringt Schwung ins Geschehen. Bühnenbildner Mirek Kaczmarek und die Kostümverantwortliche Julia Kornacka waren bei der Konzeption allerdings nicht am gleichen Stromkreis angeschlossen. Bernhard Bieri gelingen beim Licht zwar immer wieder starke Effekte, der Blick auf lieblos platzierte Bahnen aus weißem Latex und karge Blenden an den Bühnenrändern wird dadurch nur bedingt aufgewertet.

Foto © Rob Lewis

Der Regie gelingt es nicht, in ein stringentes Setting einzutauchen, das sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht. Für den ewigen Widerstreit um Macht und Liebe findet Marciniak einerseits spannende Bilder, andererseits bringt sie die einzelnen Versprechen nicht auf eine Linie. Göttervater Wotan steckt in einem schlechtsitzenden Anzug, seine Gattin Fricka trägt Abendkleid und raucht Kette und die Riesen markieren mit Gangsta-Kluft und Bling-Bling ihren Einfluss. Doch wo sind wir gelandet? Im Mafia-Milieu? In der halbseidenen Welt der Hochfinanz? Ein Bett mit Latexbezug und einem Spiegel, der einzig dem Lichtmeister zudient, liefert keine sachdienlichen Hinweise.

Grell leuchtende Neonröhren erhellen Alberichs Reich, hier wird zumindest evident, dass der Kapitalismus eine kalte Angelegenheit ist. Der Unterdrücker ist ein Military-Man, der sich zuerst in Springerstiefeln Gold und Ring erschleicht und danach mit knielangem Pelzmantel den Platzhirsch zelebriert. Der Fingerzeig aufs böse Patriarchat ist gar plakativ. Alberichs Eleven funktionieren nämlich wie Roboter und hecheln unter dem Bürotisch wie dressierte Hündchen. Warum sich neben den Mädchen auch die Buben im sittsamen College-Röckchen pantomimisch verrenken, erschließt sich wiederum nicht. Geht es um Genderidentität? Das Hantieren mit den federleichten Goldballen hat etwas von einer Schülervorstellung, auch für Schloss Walhall kommt eine zerknitterte Alufolie zum Einsatz und man wähnt sich in diesem Schlussbild in der Märchenstunde.

Josef Wagner ist Wotan, sein Bassbariton hat eine kernige Note und klingt durchweg sonor. Die beiden Bässe Christian Valle und Matheus França als Fasolt und Fafner halten mit dem Volumen locker mit, bleiben aber stimmlich eintönig. Bariton Gerardo Garciacano wird seiner Partie als Donner mehr als gerecht. Giada Borrelli, Evgenia Asanova und Sarah Mehnert bezirzen als Rheintöchter mit klarem Kolorit und Christel Loetzsch, die für Ensemblemitglied Claude Eichenberger einspringt, setzt mit ihrem farbenreichen Mezzosopran sinnliche Marker. Präzise gezeichnete Gesangsbögen kommen von Masabane Cecilia Rangwanasha, die in ihrem viel zu engen, dreigestreiften Trainingsanzug mit grüner Wuschelperücke unglücklich an die Kunstfigur Cindy aus Marzahn erinnert. Felipe Manu und Marco Jentzsch sind die Götterknaben Froh und Loge, ihre Anzüge sind ebenfalls seltsam überzeichnet, dafür sind die Tenöre stimmlich auf der Höhe. Dasselbe gilt für Michał Prószyński als Mime.

Der Star des Abends ist Robin Adams, ein ehemaliges Ensemblemitglied und bis heute der Publikumsliebling der Berner. Sein Debüt als Alberich ist an Furor und Hinterlist nicht zu überbieten. Adams fegt mit Feuer und Groll über die Bühne und lässt mit seinem maskulinen Bariton garantiert keinen kalt. Der Mann ist als gedemütigter Antiheld voll in seinem Element und sticht nicht zuletzt auch mit einer klaren Diktion heraus.

Nicholas Carter gelingt am Pult des Berner Symphonieorchesters ein ebenso vitaler wie fließend-organischer Orchesterklang. Sein Dirigat hält sich wohltuend mit Affekten zurück und wirkt dadurch niemals übertrieben oder plump. Auch die typische Wagner-Intensität mit wogenden Tutti fehlt nicht. Carter balanciert das große Rauschen geschickt mit jener Leichtfüßigkeit aus, die es für diese erste Oper braucht. Der Klangkörper wirkt in sich geschlossen und harmonisch, auch die Tempi sitzen. Über einzelne Wackler bei den Hörnern mag man hier geflissentlich hinweghören.

Der Schlussapplaus ist, abgesehen von den hausinternen Claqueuren in den hinteren Rängen, auffallend mau und mit grosser Wahrscheinlichkeit der alltagskonformen Tristesse geschuldet. Die Buhs blieben aus, Ewelina Marciniak darf sich rühmen, dass ihre profane Anschauung kein Reinfall ist.

Peter Wäch