Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
WINTÉЯ
(Vladimir Korneev)
Besuch am
25. Dezember 2018
(Premiere am 18. Dezember 2018
Als Vladimir Korneev in Berlin ankam, um beim Bundeswettbewerb Gesang für Chanson und Musical teilzunehmen – da befand er sich noch mitten im Schauspiel- und Gesangsstudium an der Bayerischen Theaterakademie August Everding – stolperte er über Plakate von der Bar jeder Vernunft und vom Tipi am Kanzleramt. Dort aufzutreten, erinnert er sich, war ein Zukunftstraum von ihm. Den hat er sich mittlerweile mehrfach erfüllt, zuvor aber dreimal in Folge beim Bundeswettbewerb einen Preis für seine Chanson-Interpretationen gewonnen und eine Film- und Fernsehkarriere aufgebaut. 2016 war es soweit. Er debütierte mit seinem Programm Liedéя in der Bar jeder Vernunft, Anfang dieses Jahres folgte dort Liebéи und mit Wintéя, das im Dezember Premiere feierte, ist er auch im Tipi angekommen. Alle drei sind Hommagen an russische Romanzen und französische Chansons, deshalb steckt in den Titeln jeweils ein Accent aigu und ein kyrillisch geschriebener Buchstabe.
Foto © Barbara Braun
In Wintéя zelebriert Korneev im weitesten Sinne Winterliches, ganz sparsam auch Weihnachtliches und auf jeden Fall eine Menge Gefühl – inklusive effektvoller Beleuchtung und Bühnennebel. Er beginnt solistisch, zurückhaltend: mit seinem Chanson Heute Morgen, das er fast introvertiert intoniert und dabei am Flügel demonstriert, was für ein ausgezeichneter Klavierspieler er auch ist. Es folgt im Wechsel ein Potpourri aus populären russischen Romanzen, wie Kalinka oder Moskauer Nächte und Französischem wie Padam, dazu eingestreut einige amerikanische Hits und Eigenkompositionen. Jeder Nummer gibt er ein eigenes Gewand, würzt sie mit Pathos, Melancholie oder Leidenschaft, weckt mit seiner Stimme Emotionen und rührt Herzen. Korneev kann sich dabei auf seinen wohltönenden, durchschlagskräftigen Bariton verlassen, dessen Grenzen er vom Falsett bis zu Basstiefen ausreizt und dem er viele dynamische Nuancen abgewinnt.
Unterstützt wird der Sänger von einer vierköpfigen Band: Cellistin Stefanie John, Bassist Tom Auffahrt, Gitarrist Takashi Peterson und der Pianist Liviu Petcu liefern mehr als dezente Begleitung, sie drücken jedem der großartigen musikalischen Arrangements einen charakteristischen Stempel auf, auch im Alleingang, wie John in Liszts Liebestraum.
In seiner Conférence wechselt Korneev zwischen kurzen verbindenden Worten und persönlichen Geschichten. So erzählt er von seiner Großmutter, die ihn zum ersten Live-Auftritt animierte, aber auch von der Flucht aus Georgien, die den siebenjährigen Jungen mit seinen Eltern nach Augsburg führte. Die sind an diesem Abend dabei, werden vom Sohn herzlich begrüßt und folgen der Show sichtlich stolz. Doch auch das nicht familiäre Publikum im gut besuchten Tipi ist begeistert und erklatscht sich vier Zugaben. Mit einem sich emphatisch steigernden, in Deutsch gesungenen Amsterdam beendet Korneev seine eindrucksvolle Winterreise.
Karin Coper