O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Barbara Braun

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Von Menschenfressern, Kontrabassisten und Notaren

OYAYAYE/FORTUNIOS LIED
(Jacques Offenbach)

Besuch am
30. Dezember 2022
(Premiere am 17. Dezember 2022)

 

Komische Oper Berlin

Theater des Absurden à la Jacques Offenbach! Wie beschreibt man sonst die zwei Einakter Oyayaye und Fortunios Lied aus dem frühen Schaffen des Operettenkönigs? In Oyayaye erleidet ein Kontrabassvirtuose Schiffsbruch und landet auf einer Insel, die von einer Kannibalenkönigin regiert wird, wo er dann um sein Leben musizieren muss. In Fortunios Lied wird ein alternder Notar von seinen Gehilfen und seiner jungen Frau an der Nase herumgeführt.

In der szenischen Einrichtung von Max Hopp ist der Schauspieler Burghart Klaußner als Conférencier und Notar Fortunio eingesetzt und erzählt von einem Albtraum – eben Oyayaye – aus dem er erwacht, um dann zu erkennen, wie ein von ihm in der Jugend geschriebenes Lied gegen ihn gebraucht wird.

Beide Petitessen, die erste aus dem Jahre 1855, die zweite 1861 und zusammen gerade mal 130 Minuten lang, sind so gut wie völlig unbekannt und doch bewährt sich der junge Offenbach als einfallsreicher Melodienmacher und scharfsinniger Gesellschaftskritiker.  In Oyayaye ist es der Musiker Schrub-dich-Wund – noch schöner im französischen Original Racle-à-mort – der sich immer wieder vor seinem Publikum bewähren muss oder sonst von ihm gefressen wird, vielleicht auch eine Parabel für den Komponisten selbst, der sich immer wieder erfinden muss. Tenor Ferdinand Keller ist dieser glücklose Musiker, den er mit viel jugendlichem Esprit und unschuldigem Charme singt. Sein Gegenpart ist die als Travestierolle konzipiert und gesungene Königin. Allein der Name der Königin – eine onomatopoetische Mischung aus „ay-ja-jey“ und „oh-là-là“ – lässt ahnen, dass wir hier mit einer nicht konventionellen Persönlichkeit zu tun haben.  Hagen Matzeit verkörpert diese Rolle mit seinem breiten Stimmumfang, der vom Bariton bis zum Countertenor reicht. Perfekt verkörpert er seine Rolle, wunderbar überdreht singt er die Wäscherechnungsarie, umrahmt von seiner weiblichen Entourage; die ist dann entzückt, als sie von Racle-à-mort selbstgeschnitzte Rohrflöten erhält.  Deren Quietschtöne versetzen alle in einen derartigen Rausch, dass der Kontrabassist entfliehen kann.

Mit staubtrockenen Pointen ist Burghart Klaußner Fortunio, Inbegriff eines eifersüchtigen Gatten und stocksteifer Notar, der aber in seiner Jugend ein Lied geschrieben hat, um bei jungen Damen Eindruck zu machen. Jetzt ist er mit einer hübschen jungen Frau verheiratet – hinreißend frisch und frech gesungen von der Sopranistin Alma Sadé. Sie wiederum wird von seinem Sekretär Valentin angebetet. Mezzo Susan Zarrabi ist der Sekretär, der mit viel Schmelz in der Stimme eben mit Fortunios Lied die Gunst der Frau Notar zu erhaschen versucht. Dank der deutschen Übersetzungen von Daniel Hirschel und Ferdinand Gumbert und der hervorragenden Wort-Verständlichkeit aller Mitwirkenden, kommen der Dialogwitz und die Personenregie von Max Hopp gut an. Adrien Perruchon dirigiert das auf die Bühne platzierte Orchester der Komischen Oper mit leichtfüßigen, flauschigen Tempi und Witz.

Vom Publikum werden diese kurzen Werke wie die leckeren Pralinen vom Berliner Chocolatier Sawade – bei jedem Besucher der Komischen Oper bekannt und beliebt – mit großer Freude und Applaus gewürdigt.

Zenaida des Aubris