O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Aktuelle Aufführungen

Da geht das Herz auf

JIM KNOPF UND LUKAS DER LOKOMOTIVFÜHRER
(Elena Kats-Chernin)

Besuch am
14. November 2019
(Premiere am 3. November 2019)

 

Komische Oper Berlin

Nun ist es soweit. Zusätzlich zum ursprünglichen Buch von Michael Ende und der sehr erfolgreichen Umsetzung durch die Marionetten der Augsburger Puppenkiste gibt es jetzt auch eine Musiktheater-Version des Klassikers für Kinder – und Erwachsene.

Die Komische Oper hatte sich schon 2004 entschlossen, jedes Jahr eine Kinderoper auf die große Bühne zu bringen. Viele davon waren Auftragswerke.  So auch diese Geschichte von Michael Ende, vor fast 70 Jahren geschrieben. Die Grundgedanken der Geschichte – die Prinzipien der Freundschaft und Umgang mit Fremden – haben nichts an Aktualität verloren. Die Komische Oper hat das Team, das für die erfolgreiche Umsetzung von Schneewittchen und die 77 Zwerge verantwortlich war, auch für dieses Projekt engagiert, und das zahlt sich aus:  Die Komponistin Elena Kats-Chernin, Librettistin Susanne Felicitas Wolf und Regisseur Christian von Götz haben eine homogene Produktion gestaltet, die auch von den Kleinsten gut verstanden werden kann, weil weitgehend eins zu eins visuell umgesetzt.

Christian von Götz erzählt die Geschichte des Waisenjungen, der an die falsche Adresse geschickt wird, eins zu eins wie von Michael Ende geschrieben.  Immerhin hat von Götz in einem Interview von seinem kleinen Sohn erzählt, der aktiv an der Gestaltung der Regie mitgearbeitet hat und den Vater immer wieder korrigiert hat – so und nicht so geht die Geschichte.  Das Resultat ist eine bunte, liebenswerte und fantasiereiche Produktion, bei der man von Anfang bis Ende einfach nur lächelt.

POINTS OF HONOR

Musik



Gesang



Regie



Bühne



Publikum



Chat-Faktor



Kats-Chernin setzt die Abenteuer in melodischen Nummern um, die gerade so viel Dramatik versprühen, dass keine Angst aufkommt – auch nicht, wenn die Drachen im Drachenland herumtoben oder die Vulkane zu explodieren drohen. Raffinierte Instrumentation – auf der Insel Mandala, die einem starken chinesischen Einfluss unterliegt, wird sogar die traditionelle Erhu-Kniegeige und eine Sheng-Mundorgel eingesetzt – und diverse Schlagzeuginstrumente erzeugen Klangvariationen, die zur Geschichtsentwicklung passen. Es sind nicht unbedingt Melodien, die Ohrwürmer werden, aber sie zeugen von solider Kompositionskunst.

Bühnenbildner Lukas Noll hat in erster Linie eine sympathische Emma-Lokomotive gebaut, mit realistischen Nieten und Führerkabine, die mit ihren Schweinwerfern ihre Zustimmung oder Erstaunen kommuniziert. Sie bewegt sich auf der erhöhten Plattform wie von Geisterhand und befördert Jim und Lukas durch die Welt, durch das rot-weiße Gebirge, auf die Insel Mandala, nach Kummerland und zu den Drachen mit fantasievollen Videoprojektionen, auch die stammen von Noll.

Die Kostüme von Alfred Mayerhofer sind realistisch, bis hin zur Hosentasche von Jim, an der der namengebende Knopf immer abplatzt.  Dafür ist das Drachenkostüm von Frau Mahlzahn wunderbar verspielt, mit rotem Kussmund und nur einem Stoßzahn, der Hermelinfell-bestückte rote Königsmantel von Alfons der Viertel-vor-Zwölfte herrlich ausladend und das Oberteil von Ping Pong an ein traditionelles chinesisches Nadelkissen erinnerd – dazu hält Ping Pong ein Panda-Kuscheltierchen, eine niedliche Hommage an den Berliner Zoologischen Garten, wo kürzlich zwei Panda-Babys geboren wurden.

Dazu ist das Sängerensemble musikalisch und schauspielerisch treffend ausgesucht:  Koloratursopran Natasha Sallès gibt einen enthusiastischen und kecken Jim – mit sehr guter Diktion, wenngleich mit einem kleinen englischen Akzent, der aber zum Charakter passt – immerhin ist Jim ein Waisenkind und die gesamte Geschichte ist ja auch seine Identitätssuche. In den Rollen der lieben Frau Waas und der bösen Frau Mahlzahn, die dann doch ein weiches Herz hat, glänzt Mezzosopran Caren van Oijen. Bariton Michael Mrosek ist der väterliche und abenteuerlustige Lokomotivführer Lukas, der immer eine Lösung oder Idee parat hat. Bariton Dániel Foki bietet unterschiedliche Persönlichkeiten für seine drei Rollen an: als Alfons, Nepomuk oder Oberbonze Pi Pa Po. Die beiden Tenöre Christoph Späth und Alexander Fedorov stolzieren als witzige Geier in pinkfarbenen Leggings über die Bühne am Anfang des zweiten Aktes – sehr zur Freude des Publikums. Zusätzlich treten sie als Herr Ärmel und Herr Tur Tur sowie als Kaiser von Mandala auf. Sopran Alma Sadé ist die sympathische, entführte Prinzessin Li Si und Sopran Julia Domke die burschikose Ping Pong.

Die musikalische Leitung hat Ivo Hentschel inne, der das Orchester der Komischen Oper spielend durch die einfachen Motive der Partitur leitet. Dagmar Fiebig leitet den Kinderchor, der immer wieder freudig auftritt.

Man kann sich wünschen, dass diese Produktion auch von anderen deutschsprachigen Opernhäusern für ihre jüngsten Besucher aufgegriffen wird. Sie bietet einen guten Einstieg in die Welt des Musiktheaters und mindert die vermeintliche Hemmschwelle, die so oft mit einem Besuch eines Opernhauses genannt wird.

Tobender Applaus für die Solisten und die Produktion.

Zenaida des Aubris