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Ernst aufgeführte Blödelei

DIE GROßHERZOGIN VON LUXEMBURG
(Jacques Offenbach)

Besuch am
31. Oktober 2020
(Premiere)

 

Komische Oper Berlin

Bekanntlich liebt Barrie Kosky, Intendant und Regisseur der Komischen Oper, sein Publikum anzusprechen und den direkten Kontakt herzustellen. Diese Premiere, am Vorabend des zweiten Lockdowns, bietet ihm eine gute Gelegenheit, sowohl davor wie danach zum Mikrofon zu greifen und vor dem Corona-bedingt ausverkauften Saal kleine Ansprachen zu halten. Mehrheitlich richten sich seine Worte als Dank an die Mitwirkenden und das Publikum. Allerdings lässt er sich nicht nehmen, seinen – nun beruhigten – Zorn gegen die gegenwärtige Pandemie-Politik zu wenden: Erst jetzt sei ihm klar gemacht worden, dass Oper-, Theater-, Konzert-Schaffende gleichgesetzt mit Tattoo- und Fitness-Studios sind, da alle als Freizeitindustrie und -dienstleister eingestuft werden. Mehr noch, da Gottesdienste ja noch erlaubt sind, könne man die Komische Oper in eine Synagoge umwandeln – schön getrennt in Männer unten und die Frauen in den Rängen. Aber dann auch: „Der Geist unseres Ensembles ist stark genug, um einen zweijährigen Lockdown zu überstehen, er kann nicht getötet werden“, erklärt er und erntet damit großen Beifall.

Jetzt soll aber erstmal gelacht werden – das hilft in jeder Krise, so Kosky, und er verspricht zweieinhalb Stunden hundert Prozent Blödsinn. Und dass mit einer Operette: Die Großherzogin von Gerolstein ist eine dreiaktige Opéra bouffe von Jacques Offenbach, erstmalig 1867 in Paris aufgeführt. Die Geschichte hat rein gar nichts mit einer realistischen Begebenheit zu tun; damals galt es noch als schick, eine Parodie auf das Militär zu schreiben. Dazu hatte sich Offenbach das Libretto-schreibende Erfolgsduo Henri Meilhac und Ludovic Halévy geholt, in der jetzigen Inszenierung wird die deutsche Neufassung von Stefan A. Trossbach eingesetzt. Übrigens ohne Übertitel – mit der teilweisen schlechten Diktion der Sänger geht viel Witz verloren.

Zur Handlung: Drei Militärs wollen nicht, dass sich die Großherzogin eines kleinen Staates in ihre Affären mischt. Deswegen veranstalten sie einen kleinen Krieg, in den sie auch den gegenwärtigen Favoriten der Großherzogin, den Soldat Fritz, der wiederum schnell zum General befördert wird, schicken. Er kommt erfolgreich zurück und will nur noch Wanda, ein einfaches Bauernmädchen, heiraten. Doch die Großherzogin will ihn eigentlich für sich und nicht den Prinzen Paul, den die Militärs ihr zugedacht haben. Fritz soll ermordet werden, jetzt mit Zustimmung der abgewiesenen Großherzogin. Letztendlich gibt es doch ein Happy-End – Fritz bekommt seine Wanda, die Großherzogin den Prinzen Paul und die Militärs können weiter ungestört herumkruschen.

Weil die Großherzogin eine letztminütige Corona-bedingte Programmänderung ist, hat Kosky auf ein Bühnenbild verzichtet. Also nur kahle Wände, kein Chor, nur sieben Solisten und vier Tänzer. Auch die üblichen Kosky-Gags fehlen großenteils. Und doch funktioniert es dank des guten Zusammenspiels des hauseigenen Ensembles. Dazu tragen auch die fantasievollen, Corona-gerechten Kostümen bei. Wie können Kostüme Pandemie-Richtlinien entsprechen? Klaus Bruns entwirft Reifröcke mit einem gehörigen 1,5-Meter-Durchmesser für die Damen, und die Männer bekommen Humpty-Dumpty-ähnliche Ballonkostüme. In dem energiegeladenen Quartett von Gender-Fluid-Tänzern in der Choreografie von Damian Czarnecki wird ebenfalls der notwendige Abstand gehalten, ebenso wie auf der überlangen Couch des letzten Bildes, die über die Gesamtbreite der Bühne steht.

Kosky spitzt die Parodie zu und besetzt die Großherzogin mit dem Bariton Tom Erik Lie in Drag, der seine spielerischen und gesanglichen Talente zum Besten gibt.  Offenbach liebte starke Frauenfiguren und hatte die Rolle für den damaligen Star Hortense Schneider geschrieben – sogar Bismarck soll extra nach Paris gereist sein, um sie zu hören. Tenor Ivan Turšic ist der unbeholfene Soldat Fritz, Bass Jens Larsen der sehr runde und stimmstarke General Bumm; Bass Tijl Faveyts als Baron Puck ist sein konspirativer Kumpel und Tenor Christoph Späth der einfältige Prinz Paul. Mezzo Christiane Oertel gibt den mysteriösen Baron Grog. Strahlend frisch und unschuldig zeigt sich der Sopran von Alma Sadé als Wanda.

Im Graben führt die vor kurzem eingesprungene Alevtina Ioffe das kleine Orchesterensemble von gerade mal 18 Musikern präzise und elegant. Sicherlich hätte Ioffe den Offenbachschen musikalischen Witz mit einem größeren Ensemble besser herauskitzeln können.

Einhelliger Applaus für die Solisten und das Produktionsteam. Leider bleibt es vorerst bei dieser ersten Vorstellung. Aufgrund der Corona- bedingten Theaterschließungen sind alle weiteren Aufführungen im November abgesagt.

Zenaida des Aubris