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Foto © Iko Freese

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Der Samowar, er brummt und summt

FRÜHLINGSSTÜRME
(Jaromír Weinberger)

Besuch am
25. Januar 2020
(Premiere)

 

Komische Oper Berlin

Dass ein Arrangeur zum Schlussapplaus auf die Bühne geholt wird, ist ungewöhnlich. Im Falle von Norbert Biermann aber verständlich. Denn er ist maßgeblich verantwortlich für die Wiedererweckung von Jaromír Weinbergers Operette Frühlingsstürme, die ein weiterer Baustein in Barrie Koskys Reihe mit Unterhaltungswerken der Weimarer Zeit an der Komischen Oper Berlin ist. Da die Originalpartitur bis heute unauffindbar ist, rekonstruierte Biermann nach aufwändiger Recherche anhand des Klavierauszuges und von Tondokumenten die Orchestration. Nun erklingt sie mit kleinen Ergänzungen und Änderungen in voller Pracht erstmals wieder in Berlin.

Dort waren die Frühlingsstürme im Januar 1933 im Admiralspalast mit den Stars Richard Tauber und Jarmila Novotná uraufgeführt und nach nur zwei Monaten wegen der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten abgesetzt worden. Viele der jüdischen Mitwirkenden und auch der Komponist Jaromír Weinberger gingen ins Exil. Der gebürtige Tscheche, Jahrgang 1896, war in den 1920-er Jahren überaus populär. Mit der Volksoper Schwanda, der Dudelsackpfeifer landete er 1927 einen Sensationshit, der ihn international berühmt machte. Sein letztes Bühnenwerk, die Schiller-Vertonung Wallenstein, feierte 1937 in Wien Premiere. Kurz danach floh er in die USA, konnte aber, wie so viele andere Leidensgenossen, künstlerisch nicht an frühere Erfolge anknüpfen. 1967 nahm er sich das Leben.

POINTS OF HONOR

Musik



Gesang



Regie



Bühne



Publikum



Chat-Faktor



Der Plot der Frühlingsstürme ist in seiner Mixtur aus Melodramatik und Komik filmreif. Er führt in die chinesische Mandschurei während des Russisch-Japanischen-Krieges. Im Hauptquartier der russischen Armee lebt auch die verbannte Petersburgerin Lydia Petrowska, die allen Männern den Kopf verdreht. Sie aber hat nur Augen für den japanischen Offizier Ito, der, als Diener verkleidet, die militärische Lage der Gegner ausspioniert. Als er entdeckt wird, rettet sie ihm das Leben, in dem sie dem zuständigen General ihre Liebe verspricht. Für allerlei Klamauk sorgt ein Reporter, der mit der Generalstochter anbändelt. Bei den Friedensverhandlungen im italienischen San Remo treffen sich alle wieder. Ein Happy End aber bleibt Lydia und Ito trotz ihrer ungebrochenen Gefühle verwehrt.

Foto © Iko Freese

Als Bühnenbild hat Klaus Grünberg eine Art übergroßen Schrankkoffer entworfen, der sich für die wechselnden Schauplätze variabel öffnet und dreht. Koskys Inszenierung überzeugt durch stringente Personenregie, Showeffekte – sogar ein echtes Feuerwerk wird abgebrannt – vor allem aber durch brillante Tanzeinlagen, in denen Otto Pichler seine choreografische Fantasie aufs Schönste funkeln lässt. Zum Höhepunkt wird ein Straußenfedernballett, das jeder Revue zur Ehre gereichte. Was an der Aufführung stört, sind die lang gezogenen Dialoge und manche Running Gags, beispielsweise eine Drehtür-Nummer, die nicht enden will. Hierbei scheint Kosky sein Gefühl für Timing verlassen zu haben.

Musikalisch bilden die Frühlingsstürme eine Melange aus spätromantischer Oper à la Korngold, üppigem Operettenschmelz à la Lehár und frechen Buffo-Duetten. Richtige Ohrwürmer, wie sie beispielsweise Kálmán oder Abraham aus dem Ärmel schüttelten, findet man freilich nicht. Jordan de Souza dirigiert diesen Stilmix mit spürbarem Enthusiasmus, der sich auf das Orchester der Komischen Oper überträgt. Vera-Lotte Boecker gibt mit leuchtenden Höhen und vielen Zwischentönen eine Operettendiva, wie sie im Buche steht. Tansel Akzeybek ist ein sympathischer, stimmlich kultivierter Ito. Nur besitzt sein Tenor nicht die rechte Strahlkraft. Der General Katschalow ist eine Paraderolle für Stefan Kurt. Besonders in der Slapstick-Nummer, die ihm Kosky auf den Leib inszeniert hat, zeigt der Schauspieler sein großes komödiantisches Talent. Als völlig überdrehtes Buffopaar fegen Alma Sadé und Dominik Köninger temperamentvoll und überschäumend vor Energie durch die Duette.

Der Jubel nach der ausverkauften Premiere ist für alle Beteiligten groß. Die Frühlingsstürme sind der Auftakt zu einem Festival rund um Jaromír Weinberger. Es endet im März mit einer Neuproduktion von Schwanda der Dudelsackpfeifer.

Karin Coper