O-Ton

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Foto © Jaro Suffner

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Geld regiert die Welt

DIE BANDITEN
(Jacques Offenbach)

Besuch am
17. Dezember 2023
(Premiere)

 

Komische Oper Berlin

Die Komische Oper Berlin zeigt Die Banditen, die letzte große Opera buffa von Jacques Offenbach. In dieser letzten Zusammenarbeit mit den brillanten Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy entstand eine beißende Satire auf Gesellschaft und Politik, und Offenbach verpackte es in seinen charakteristischen musikalischen Witz. Das 1869 in Paris uraufgeführte Stück ist universell verständlich, denn es spießt die Absurditäten der Bürokratie und die Unbeständigkeit des Schicksals auf, getarnt in einem Räuber-und-Gendarm-Spiel und dazu gehörigen Verwechslungen. Die Moral der Geschichte besteht darin, dass die betrügerischen Bankiers und Minister viel korrupter sind als die ehrlichen Diebe, was den schmalen Grat zwischen Gesetz und Gesetzlosigkeit verdeutlicht.

Die Handlung dreht sich um eine Bande skurriler italienischer Banditen, die weniger bedrohlich als vielmehr komisch und ungeschickt sind – und den Behörden immer einen Schritt voraus. Sie werden in humorvolle Missverständnisse und romantische Verwechslungen verwickelt, die wiederum Anlass für parodistische soziale Kommentare geben. Die waren in der Entstehungszeit sehr wohl als Anspielungen auf die korrupten Machenschaften der damaligen Zustände bei Bankern, Ministern und Beamten zu verstehen. Am Ende wird Falsacappa, der Anführer der Banditen, zum Polizeichef ernannt, weil er sich der Obrigkeit immer erfolgreich entzogen hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Operette inszeniert wird – 1989, kurz vor dem Mauerfall, brachte Regisseur Harry Kupfer das Stück mit starken Anspielungen auf die damals noch amtierende Regierung der DDR mit durchschlagendem Erfolg auf die Bühne der Komischen Oper. Die aktuelle halbszenische Inszenierung wurde drastisch von den ursprünglich komponierten drei Stunden auf einen einzigen Akt von 100 Minuten gekürzt. Die Kürzungen sind nicht unbedingt von Vorteil – vor allem nicht für das Verständnis der komplexen Handlung.

Das Bühnenbild besteht aus zwei Treppen, auf denen der kommentierende Chor sitzt, und einer Vorbühne, die um den Orchestergraben ragt. Regisseur Max Hopp lässt die Charaktere ihre Manierismen übertreiben, um sie lustig zu machen. Das funktioniert nicht.  Die aufwändigen und farbenfrohen Kostüme von Katrin Kath-Bösel wirken billig, weil sie die stereotypen Attribute der Figuren zu unterstreichen versuchen – traurig aussehende Rüschen auf einem aristokratischen Hemd, ein übertrieben verzierter Pistolengürtel, mehrlagige Tüllröcke für eine Prinzessin, übermäßig verzierte Samtstoffe für einen Finanzminister, der Regenbogenaufdruck der T-Shirts der Chormitglieder – und töten so jegliche Feinheiten.

Foto © Jaro Suffner

Wie in seinen vielen anderen Werken ist Offenbachs Musik lebendig und einnehmend, was Adrien Perruchon hier herauskitzelt, indem er das Orchester der Komischen Oper animiert, den melodischen Erfindungsreichtum und das rhythmische Flair der Partitur zur Geltung zu bringen.  Trotz seiner energischen Herangehensweise und seiner schnellen Tempi ist das Dirigat ein wenig zu brav, zu korrekt, zu humorlos. Es könnte alles ein wenig schrulliger und augenzwinkernder sein, um Offenbachs Partitur zum Glühen zu bringen. Die Chormitglieder des Vocalconsort Berlin folgen Perruchons Taktstock, aber auch hier fehlt es an Esprit, obwohl sie eifrigst mit Fähnchen wedeln dürfen.

Die große Sängerbesetzung wird angeführt von dem Tenor Alexander Kaimbacher als Falsacappa, dem Chef der Banditen, der eine hervorragende stimmliche Leistung erbringt, über eine ausgezeichnete Diktion verfügt und deutlich Freude am Spiel hat. Dann ist da noch der junge und unschuldige Gasthausbesitzer Fragoletto, der von Tenor Johannes Dunze mit schönem und natürlichem Timbre und mit klarer Textverständlichkeit gesungen wird. Auch die anderen männlichen Rollen sind gut besetzt: Tenor Ferdinand Keller als Parodie eines Baron von Campotasso , Tenor Christoph Späth als Hauptmann, Bariton Noam Heinz als Herzog von Mantua und Tenor Ivan Turšić als Graf Gloria-Cass überzeugen sowohl gesanglich als auch schauspielerisch, indem sie ihren Charakteren einen glaubwürdigen parodistischen Ton verleihen. Einer der wenigen komischen Höhepunkte ist die Arie des Baritons Tom Erik Lie als Schatzmeister Antonio, der seine Liebe zu seinem Job, bei dem er Zugang zu der Staatskasse hat und sich bedienen kann, um seinen Mätressen und anderen Hobbys zu frönen, überspitzt darstellt – ein sängerisches und spielerisches Glanzstück.

Die Besetzung der Damen ist weniger hochkarätig. Die Sopranistin Nadja Mchantaf als Falsacappas Tochter Fiorella wirkt nicht überzeugend, eher blass und süßlich, und ihre Stimme zeigt eine forcierte Höhe und ist zudem ziemlich unverständlich.  Mezzo Elisabeth Wrede ist eine brave Prinzessin von Granada, die sich an die Regeln hält – ein wenig mehr Aufmüpfigkeit hätte ihr gutgetan.

Diese letzte der großen Buffo-Opern Offenbachs bietet mit ihren bitterbösen Anspielungen auf Geld, Macht, Politik und vor allem auf die Korrumpierbarkeit der Politiker und die Lächerlichkeit der für Recht und Ordnung zuständigen Institutionen Gelegenheit zu aktueller Gesellschaftssatire. Max Hopps Versuch, sie zu aktualisieren, ist nicht gelungen.

Das Publikum spendet dem Ensemble dennoch warmen Applaus.

Zenaida des Aubris