Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
ROXY UND IHR WUNDERTEAM
(Paul Abraham)
Besuch am
22. Dezember 2017
(Premiere am 9. Dezember 2017)
Tragisch verlief und endete das Leben des ungarischen Komponisten Paul Abraham. Jüdischer Abstammung, 1892 in Österreich-Ungarn geboren, studierte er Musik an der königlich-ungarischen Musikakademie. Riskante Finanzgeschäfte brachten ihn ins Gefängnis, danach hielt es sich als Musiker in Bars und Cafés über Wasser. Mit der Uraufführung seiner Operette Viktoria 1930 begann sein rascher Aufstieg zu einem der bekanntesten und gefragtesten Operettenkomponisten, der dem Genre nochmals zu Glanz und Gloria verhalf. Rasch wurde seine Musik auch für den eben entstandenen Tonfilm entdeckt.
Mit der Machtübernahme des Nationalsozialismus endeten abrupt seine Karriere und Bekanntheit. Über Paris und Kuba flüchtete er nach New York, wo er verhängnisvoll erkrankte. Geistesverwirrt kehrte der psychisch Erkrankte 1956 nach Deutschland zurück und starb an einer schweren Krebserkrankung 1960. Mit seinen frechen Operetten, gespickt mit schmissigen Melodien, unterhielt er zahlreiche Menschen. Die Filmindustrie des Nachkriegsdeutschlands entdeckte seine Werke und erreichte ein Millionenpublikum. Viktoria und ihr Husar, die Blume von Hawaii, Ball im Savoy waren Renner und die Melodien Ohrwürmer. Dazu gehörte auch die Operette Roxy und ihr Wunderteam oder auch unter dem Titel 3:1 für die Liebe bekannt. Diesem Werk ist eine freche, an brisante, aktuelle Schlagzeilen angelehnte Neuinszenierung des Stadttheaters Augsburg gewidmet.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Im Fußballer-Milieu angesiedelt, greift die textliche Neugestaltung unter anderem die aktuelle Diskussion um umfangreiche Bestechungen und Schmiergeldzahlungen sowie die Homophobie des Profisportes an. Bewusst kreierte Parallelitäten zu den gegenwärtigen Idolen und Persönlichkeiten des Massensports muntern ebenso auf, wie scharfe, mit spitzer Feder gefasste Pointen. Da kicken elf junge Athleten, geführt von ihrem Teamkapitän Philipp Schwach, um den Weltmeistertitel 1936, trainiert vom modischen, schlaksigen Pepe Tactico. Rosy Müller, eine engagierte sexy Journalistin schmuggelt sich in die Vereinsräume, um Bestechungsskandale aufzudecken und verliebt sich, wie nicht anders zu erwarten, in einen Fußballer, wirbelt das Vereinsleben auf und führt die Mannschaft schlussendlich zum Weltmeistertitel.
Zweieinhalb Stunden wird von den jungen Künstlern engagiert und schwungvoll mit und ohne Ball, aber kräftig mit Worten und Tönen gespielt, getanzt, gesteppt und immer wieder aus den Kleidern geschält. Frech frivol, anzüglich und befreiend ist die Botschaft der gelungenen Regie von Martin Burger. Stilistisch erinnert sie an die deutschen Musikfilme der 1960-er Jahre, bezieht aber das aktuelle Geschehen und den Medienrummel der Jetztzeit in der Gestaltung ein.
Foto © Jan-Pieter Fuhr
Viel Medienrummel gab es auch um das Theater Augsburg und seine Sanierungsbedürftigkeit. Kurzfristig wurde es geschlossen und wirkt jetzt im abgelegenen, schwer auffindbaren Ausweichquartier im Martinipark. So fehlt in der kritischen Würze des Abends auch nicht der Seitenhieb an die Politik. „Wer an der Kultur spart, der spart sich dumm“. Intelligent dafür ist die Gestaltung der Ausweichbühne durch Sarah Katharina Karl. Zwei bewegliche, offene Holzcontainer werden immer wieder gedreht und so das Ambiente flüssig gewechselt. Schlafzimmer, Umkleidekabine, Dusche oder Fotowand der Sportgala entstehen im Handumdrehen durch die Künstler selbst im Handlungsablauf. Die Choreografin Marie Christin Zeisset entwickelt geschickt einen tänzerischen Mix aus anspruchsvollen Tanzschritten, Steppeinlagen und bewusst amateurhaft wirkenden Bewegungen. Spritzig effektvoll fließen Wort, Musik und Tanz zusammen.
Das Publikum amüsiert sich prächtig, immer wieder brausen Lachsalven und anerkennender Beifall auf. Gut ausgesucht auch die Darsteller. Sportlich gebaut, gutaussehend schlüpfen sie in die an lebendige Fußballer erinnernde Rollen. Thaisen Rusch gewinnt die Sympathien mehr durch seine gut ausgebildete, weich timbrierte Stimme als das tänzerische Geschick in der Rolle des Philipp Gjurka. Uli Scherbel ist ein Multitalent für Gesang und Tanz in seiner Rolle des schwulen Weltfußballers Cristiano Hatschek. Katja Berg bringt die sexy Rundungen für Roxy auf die Bühne, verliert aber in der spröden Gestaltung der Rolle. Mit Jimmy Hartwig als der dubiose Funktionär Franz Baron ist auch eine echte Fußballlegende auf der Bühne.
Die Augsburger Philharmoniker, geleitet von Lancelot Fuhry, spielen auf der Hinterbühne des Ausweichquartiers und verstehen es den Klang und Schmiss des Big-Band-Zaubers überzeugend zu erreichen. Ihre musikalische Untermalung geht unter die Haut, und im Publikum sieht man Arme oder Beine im Rhythmus schwingen. Der Schwung setzt sich im langanhaltenden Beifall fort. Weihnachtsgrüße von der Bühne beenden den unterhaltsamen Abend, und dem Theater Augsburg sei Dank, diesem Genre der Vaudeville-Operette wieder mehr Aufmerksamkeit zu geben.