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Aktuelle Aufführungen

Oper zum Frühstückchen

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)

Gesehen am
8. Mai 2021
(Livestream)

 

Auckland Town Hall

Da gab es doch diese Werbung für eine Haselnussschnitte in den späten 1990-ern. „Halb zehn in Deutschland, Zeit für ein Früstückchen …“. Nun, ein Nebeneffekt der Pandemie ist der wirklich sprunghafte Anstieg an Live-Übertragungen aus aller Welt.  Und jetzt ist es 9.30 Uhr in Deutschland, Zeit für einen Livestream von Fidelio aus Auckland, Neuseeland, wo es bereits 19.30 Uhr ist. Der morgendliche Kaffee mit Oper.

Das Publikum in Neuseeland darf sogar wieder ins Theater, so ist es kein Wunder, dass alle 1.529 Plätze im Auckland Town Hall ausverkauft sind. Übrigens zählt die Akustik in diesem Saal aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts zu den zehn besten weltweit.  Allerdings ist es ein reiner Konzertsaal, zwar mit Platz für Chor, aber ohne Theaterbühne. Deswegen hat Regisseurin Jacqueline Coats nur etwas Bewegungsregie eingearbeitet. Zum Beispiel tritt der erste Chor der Gefangenen über den Zuschauerraum auf, und Marzelline und Fidelio falten einen Korb voll frischgewaschener Wäsche.

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Das Bemerkenswerte ist die Umsetzung des Konzepts – alle Sänger stammen aus Neuseeland, auch wenn sie tatsächlich jetzt in aller Welt leben und auftreten.  Die Sopranistin Kirstin Sharpin beispielsweise, aus Berlin kommend und mit einem negativen Test ausgestattet, musste gleich nach ihrer Ankunft zwei Wochen in absolute Quarantäne. Immerhin wurde ihr erlaubt – dank des guten Wetters – ihre täglichen Gesangsübungen auf einem leeren Parkplatz durchzuführen.

Dramaturgisch hat man sich entschieden, die Geschichte aus der Perspektive von Rocco, dem Kerkermeister und Vater von Marzelline, auf Englisch zu erzählen.  So fängt es auch mit der gesprochenen Vorgeschichte von Fidelios Ankunft an, gesungen wird dann auf Deutsch. In dem Kontext der konzertanten Aufführung funktioniert das reibungslos. Noch eine Eigenheit, die wohl der angelsächsischen Tradition zuzuschreiben ist – die meisten Rollen sind generell leichter besetzt als das der Fall in Deutschland gewesen wäre. Dazu gehört sowohl der Rocco von Paul Whelan mit seiner eleganten, schlankgewachsenen Gestalt und schmiegsamem Bass-Bariton, wie auch die jugendhafte Stimme der charmanten Marzelline von Natasha Wilson. Die Leonore von Kirstin Sharpin unterstreicht mit sicherer Höhe und strahlendem Sopran ihre hartnäckige Suche nach dem geliebten Gatten. Simon O’Neill, der die Rolle des Florestan schon auf allen wichtigen Bühnen gesungen hat, bestätigt mit Gott! Welch‘ Dunkel hier! seinen Ruf als führender Heldentenor mit schönem, metallischem Timbre und deutlicher Diktion. Auch die anderen Rollen – Phillip Rhodes als grimmiger Don Pizarro, Oliver Sewell in der Rolle des Jaquino mit hellem Tenor, und James Ioelu als gütiger Minister Don Fernando – bestätigen das hohe Ausbildungsniveau und den Stellenwert der Gattung Oper in der neuseeländischen Kulturlandschaft.  Auch der Freemason New Zealand Opera Chorus gehört in diese Kategorie, wenngleich er gerade im ersten Auftritt etwas chaotisch wirkt.

Giordano Bellincampi leitet sein Auckland Philharmonia Orchestra mit forscher Hand in der musikalischen Version der Oper von 1814. Kleine Misstöne der Hörner stören wenig. Gerade im Finale stachelt er das gesamte Orchester, Chor und Solisten förmlich auf zur aufbrausenden Bestätigung von Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit.

Selbstverständlich und verdienterweise gibt es am Ende standing ovations vom Publikum.

Zenaida des Aubris