O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Xiomara Bender

Aktuelle Aufführungen

Himmel voller Geigen

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)

Besuch am
13. Juli 2017
(Premiere am 14. September 2015)

 

Tiroler Festspiele Erl

Ein weiteres Mal rüsten sich Erl und die Tiroler Festspiele für eine Aufführung des gefeierten Ring-Zyklus. Viele Besonderheiten machen den Besuch der Festspiele zu einem außergewöhnlichen Erlebnis. So besitzt das Passionsspielhaus als Aufführungsort keinen Orchestergraben oder sonstige ausgefeilte Bühnentechnik. Ein Umstand, der geschickt zu einem außergewöhnlichen Realisierungskonzept führt, das auch dem künstlerischen Leiter Gustav Kuhn sehr entgegenkommt.

Das Orchester findet auf dem hinteren Teil der Bühne auf einem Tribünenaufbau Platz. Der Zuschauer nimmt so visuell detailliert am Geschehen im Orchester teil. Und hier passiert bei Kuhn viel. Seine Interpretation setzt auf den breiten romantischen Gesamtklang. Einzelne Instrumentenstimmen führen, aber erreichen keinen transparenten kammermusikalischen Charakter, sondern einen vollrauschenden Klangteppich. Akustisch nimmt das Haus die frontale Beschallung klar und exakt auf und verdaut die üppige Fülle ohne Nachwehen.

POINTS OF HONOR

Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Schon die ersten kräftigen Passagen der Ouvertüre laden den Raum spürbar auf. Die Rheintöchter lauern auf drei fahrbaren Aufbauten im Wasser und spielen sichtlich mit Freude und Wohlgesang mit dem tolpatschigen Alberich im Wasser. Thomas Gazheli gestaltet den fiesen, machthungrigen Nibelungen im Spiel lebendig und setzt mit seiner vollen, kräftigen Stimme Dramatik drauf. Dunkel versunken in der Tiefe und in warmem Timbre in der Mitte eingefasst, ist er neben dem kraftvoll aufspielenden und singenden Johannes Cuhm als klug taktierender Geschäftsmann Loge der überzeugendste Darsteller. Der Österreicher Johannes Cuhm hat viele Erfolge als Mozartinterpret mit seinem bis in die höchsten Höhen glöckchengleich hellklingenden Tenor. Fehlt ihm in der Stimme kaltschnäuzige Giftigkeit, bringt er das im Spiel ein. Farblos, ohne Präsenz kämpft James Roser vergeblich um seine Führungsrolle als Gottvater Wotan. Er bekommt viel Hilfe vom erkennbar mit Handbremse aufspielenden Orchester, schafft es aber nicht, mit seiner kleinen Stimme Akzente zu setzen.

Hermine Haselböck ist eine feine ruhige Ehefrau, die sich keineswegs emanzipiert oder selbstbewusst zeigt. In ihrem bunten, wallenden Kleid mit viel Stoff und hochgesteckter Frisur auf der Sonnenterrasse wirkt sie mehr als chillende Gastgeberin. Da erscheinen dann der golfspielende Froh mit roter Baseballmütze, Schläger und karierter Hose und sein Götterkollege Donner als trainierender Hammerwerfer auf der Götterterrasse zum Drink.  Gestört wird die edle Gesellschaft von den beiden Riesen. Hier gibt es ein Wiedersehen mit Franz Hawlata als Fasolt. Sportlich gekleidet als Rugbyspieler, wirkt er auch stimmlich kräftig und frisch, konzentriert in der Intonation und Aussprache. Bulliger und polternder wirbelt Andrea Silvestrelli als Fafner in seinem Eishockey-Kostüm herum. Viele dunkle Gestalten mit Stirnlampen schlagen den Amboss und begleiten Wotan und Loge auf dem Weg nach Nibelheim. Giorgio Valente ist ein stimmlich sicherer, rundlicher Mime. Ohne verstohlene Hintergedanken sitzt er an einem mickrigen Schreibtisch, umgeben von langen Blöcken, wie ein eingefallener Stollen im Bergwerk. Noch einmal horcht man auf, wenn Erda mit weiblicher Intuition und Verve Wotan belehrt. Alena Sautier gelingt das facettenreich, und der Weg ist frei nach Walhall. Weder Frederik Baldus als Donner noch Ferdinand von Bothmer als Froh können sich mit Ihren markanten Auftritten in die Gunst der Zuschauer singen.

Als letzte Einstellung bleibt der nüchterne Blick auf das Orchester, das vollendet das Finale in musikalischen Farben gestaltet und stimmungsvoll den feierlichen Einzug in der Fantasie der Betrachter Gestalt werden lässt. Die Tiroler Festspiele sind für spartanisch reduzierte Inszenierungen von Gustav Kuhn bekannt, deren Wirkung in der Personenregie liegt, die sich wohltuend akribisch an den Text hält. Damit hat er sich über Jahre sein Publikum aufgebaut, das sich auf authentische, einfache Inszenierung freut und den musikalischen Genuss in vollen Zügen erleben will. So ganz kommen Sie an diesem Tag nicht auf Ihre Rechnung, aber der Beifall ist groß und herzlich. Helmut Pitsch