O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Susanne Diesner

Aktuelle Aufführungen

Chancenlos

STERNZEICHEN
(Konzertreihe Tonhalle)

Besuch am
13. September 2019
(Premiere)

 

Tonhalle Düsseldorf, Mendelssohn-Saal

Manchmal fragt man sich, wer eigentlich die Programme für Konzerte zusammenstellt. Und auch die Begründungen fallen mitunter kurios aus. In der Tonhalle Düsseldorf wird die Konzertreihe Sternzeichen der neuen Spielzeit mit Werken von Trojahn und Strauss eröffnet. Warum? Nun, der eine wird 70 Jahre alt, der andere ist 70 Jahre tot. Aha. Immerhin stimmt die Mischung aus Sicht deutscher Konzertveranstalter. 15 Minuten für den lebenden Komponisten, der Rest des Abends ist dem toten Notenschreiber vorbehalten. Und damit niemand in der Pause wegläuft, kommt der lebende Komponist an die erste Stelle. Herbstmusik – Sinfonischer Satz von Manfred Trojahn stammt aus dem Jahr 2010 und klingt so frisch, als sei sie gerade erst entstanden. Die Musik zeichnet sich zunächst einmal dadurch aus, dass der in Düsseldorf und Paris lebende Komponist in der Lage ist, ein großes Orchester vernünftig zu beschäftigen, was sicher auch mit seiner fehlenden Berührungsangst vor der Romantik zusammenhängt.

Manuela Uhl – Foto © Susanne Diesner

Schon gleich nach der Eröffnung durch das Schlagwerk schaffen die Streicher mit ihrem Sirren eine geheimnisvolle Atmosphäre. Hier hat niemanden die Herbst-Melancholie erfasst. Verwendete man die Musik für einen Film, wäre es vermutlich eher ein Psychothriller als ein Liebesfilm. Immer wieder fallen die Streicher mit ihren kurzen Bogenführungen ein. Dahinter leuchten die unterschiedlichsten Ideen und Einfälle auf. Kleine dissonante Melodien, einzelne kurze Instrumentensoli, aber auch die Dialoge zwischen Oboen und gezupftem Cello sorgen für Beschleunigung und Abwechslung. Es wird eine sehr kurzweilige Viertelstunde. An dieser Aufführung hätte sicher auch Trojahn seinen Spaß gehabt. Denn die Düsseldorfer Symphoniker sind mit Verve und Präzision dabei. Takthilfe gibt Antonino Fogliani, der sich eigentlich eher als Belcanto-Spezialist einen Namen gemacht hat. In der Tat kann man sich seine Art zu dirigieren eher bei L’elisir d’amore oder La Cenerentola vorstellen. Mit Hipster-Bart und -Frisur scheint er zudem ein Freund des Mainstreams zu sein. Als Laie vermag man sich nicht vorzustellen, dass die Musiker vor ihm tatsächlich etwas mit den wild rudernden Armen und dem wippenden Körper anfangen können, der sich zudem bevorzugt mit der linken Streichergruppe und den Bläsern respektive kräftigen Einsätzen des Schlagwerks befasst. Aber meistens funktioniert es.

So gelingt ein ganz wunderbarer Tanz der sieben Schleier, der an Transparenz und Vitalität kaum zu übertreffen ist. Bis dahin mag man also dem zustimmen, was im Programmheft als „Editorial“ bezeichnet ist. „Wenn Oper und Symphonik Hochzeit feiern, ist dies immer ein besonderer Genuss.“ Und für instrumentale Werke trifft das bestimmt zu. Aber schon der nächste Programmpunkt straft das Editorial Lügen. Richard Strauss hat für seine Oper Salome, aus der ja auch der Tanz der sieben Schleier stammt, den Schlussgesang der Salome für ein großes Orchester im Graben geschrieben. Als Manuela Uhl, die sich erfolgreich einen Namen in dieser Rolle gemacht hat, sich den Weg durch das Orchester in einem Haus bahnt, das für Konzerte gebaut ist, zeigt sich schon visuell, dass das nichts werden kann. In dieser Konstellation bleibt jede Sängerin dieser Welt chancenlos. Und es braucht schon sehr viel innere Größe, sich dieser Situation zu stellen. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten. Schreien, was das Zeug hält, oder in lyrischer Linie gepflegt untergehen. Da fragt man sich schon, wer auf solch eine Schnapsidee kommt.

Antonino Fogliani – Foto © Susanne Diesner

Uhl hat für ihren Auftritt schwarze Stiefeletten mit hohen Absätzen, eine rote Lederhose und eine schwarze Bluse mit goldfarbenen Knöpfen gewählt. Schmucklos bis auf einen Ring am Finger, macht sie so eine gute Figur als moderne Prinzessin. Sie entscheidet sich, nicht gegen die instrumentale Übermacht anzugehen, sondern mit dem Orchester mitzuatmen – und geht stimmlich unter. Da helfen auch Foglianis Versuche nicht, die Lautstärke einzudämmen. Die Akustik des Saals ist auf großen Orchesterklang und nicht auf einen Kampf zwischen Orchester und Sänger ausgerichtet. In wenigen Piano-Passagen kann Uhl zeigen, warum sie als Salome so erfolgreiche Auftritte auf vielen Bühnen absolvieren konnte. Überzeugen kann sie auch in Mimik und Gestik, die zwar in Andeutungen verharren, aber doch die große Darstellerin zeigen.

Für die Vier letzten Lieder hat die Sängerin ein graugrünes Abendkleid gewählt. Und so konservativ wie die Bekleidung kommt auch die Musik daher. Gibt aber immerhin Uhl zumindest bei Beim Schlafengehen und Im Abendrot Gelegenheit, ihren ganzen Stimmglanz verständlich auszubreiten. Und den Abend mit Bravo-Rufen abzuschließen.

Den Düsseldorfer Symphonikern bleibt noch die dankbare Aufgabe, mit der Suite aus dem Rosenkavalier Sympathien einzusammeln. Die Walzer-Variationen gelingen schmissig. Und so darf sich Fogliani, der Sympath, und sein Orchester feiern lassen. Zwei weitere Vorstellungen sind für das Wochenende vorgesehen.

Michael S. Zerban