Auf der Suche nach Vergessenem und Vergessenen
Peter P. Pachl ist seit Jahren ein engagierter Regisseur, der abseits des Mainstreams nach Werken und Komponisten sucht, die im „gewöhnlichen“ Kulturbetrieb untergegangen und vergessen worden sind. Sein ganz besonderes Interesse galt und gilt dabei dem Oeuvre von Siegfried Wagner. Im September 2011 jedoch präsentiert Pachl mit dem von ihm gegründeten „pianopianissimo musiktheater münchen“ die komische Oper Das Unmöglichste von Allem, die der Liszt-Schüler Anton Urspruch (1850 bis 1907) komponiert hat. Nach seiner sehr erfolgreichen Uraufführung 1897 wurde dieses Werk (nach dem Lustspiel des Spaniers Lope de Vega) häufig inszeniert und gespielt, verschwand dann aber von den Spielplänen. Das „Forum Leverkusen“ eröffnet mit Urspruchs Oper am 22. September seine Spielzeit 2011/2012.
Opernnetz: Anton Urspruch ist im Bereich Musiktheater ein völlig unbeschriebenes Blatt. Was hat Sie bewogen, seine Oper Das Unmöglichste von Allem wieder auszugraben? Was ist das Besondere an ihr, was reizt Sie als Regisseur?
Peter P. Pachl: Diese Oper faszinierte mich bereits, als ich erstmals auf ihren Titel stieß: Das Unmöglichste von Allem. Außerdem erfuhr ich aus alten Opernführern, welch enorme Bedeutung diese komische Oper für die Entwicklung der deutschen Oper nach Wagner hatte, also für genau jene Epoche, der ich mich schon früh wissenschaftlich und auch als Regisseur vornehmlich gewidmet habe.
Aber in meiner schon als Gymnasiast begonnenen Sammlung antiquarischer Klavierauszüge und Textbücher jener Zeit fehlte und fehlt die Oper noch heute, da der Verleger August Cranz früh Konkurs anmelden musste und die Drucke äußerst rar sind. Als ich endlich einen Klavierauszug der Oper von Anton Urspruch in der Bibliothek entdeckte, fertigte ich mir Kopien und ließ sie in Leinen binden.
Und als ich im Globe Theater in Neuss Lope de Vegas Der heilige Julian inszenierte, dachte ich wiederholt daran, wie viel besser doch dessen Komödie El mayor imposibl“, zu Deutsch Das Unmöglichste von Allem, sei.
Opernnetz: Um welches Thema geht es in Anton Urspruchs Oper – und inwiefern hat dieser Stoff noch etwas mit uns heute zu tun?
Peter P. Pachl: Die Zuspitzung des „Unmöglichsten“ gegenüber Lope de Vega erfolgt bei Anton Urspruch, indem er das soeben siegreich beendete Kriegsgeschehen zur Grundlage der nachfolgenden Handlung macht, der Wette, ob man eine liebende Frau behüten kann oder nicht. Die fragwürdigen Erfolge auf dem Schlachtfeld werden übertragen und fortgesetzt im heimischen Bereich, als Krieg zwischen Mann und Frau, Bruder und Schwester, Familien, Interessenvertretern, Parteien.
Wie so oft im 20. – und leider auch noch im 21. – Jahrhundert soll auf dem vom Krieg gezeichneten Gelände, auf der Folie von Blutvergießen und Gräuel, so als wäre nichts gewesen, die friedliche Welt der Normalisierung entstehen. Doch im konkreten Fall sind drei Frauen in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten klüger als die männlichen Potentaten: die Dienerin Celia, die begehrte junge Diana und die Königin selbst verwirklichen, mit Raffinesse, Psychologie und Witz die Utopie einer Emanzipation der Frau.
Opernnetz: Wagen Sie eine Prognose: hat Das Unmöglichste von Allem die Chance Eingang zu finden in das Repertoire „ganz normaler“ Opernhäuser? Wenn ja: womit könnten Sie Intendanten, Dramaturgen etc. davon überzeugen, dass eine Inszenierung lohnt?
Peter P. Pachl: Wir werden dafür unser Bestes geben!
Für andere Intendanten, Dramaturgen, Regisseure, ja seltsamerweise sogar für Kapellmeister ist es stets von besonderer Wichtigkeit, dass es von einer Oper eine Gesamtaufnahme gibt. Unsere Inszenierung besitzt keinen Anspruch auf Alleinstellung. Natürlich kann man es auch ganz anders realisieren, als wir es vorhaben – insbesondere mit den Mitteln eines Staats- oder Stadttheaters.
Sehr wichtig für die weitere Rezeption dieser Oper ist es also, dass man nach unserer Wiederaufführung dieses Werk, von dem es bislang in keinem Archiv der Welt auch nur einen Ausschnitt zu hören gibt, komplett auf CD – und wahrscheinlich auch auf DVD – zur Verfügung haben wird.
In der Handlung Das Unmöglichste von Allem schlägt die Direktheit immer wieder um in Groteske und Lachen. Denn Anton Urspruch reklamiert das Spiel der Bühne als ein Spiel des Lebens im höheren Sinne.
Und dafür ist das pianopianissimo-musiktheater mit seiner attestierten Spielfreude und Körperintensivität das optimale Ensemble, das alle Solopartien ebenso rollenkongruent abdeckt wie die solistisch verkörperte Gesellschaft. So soll in einer ungewöhnlichen Spielanordnung das Unmöglichste musikdramatisch zum Erlebnis werden.
Die Fragen stellte Christoph Schulte im Walde
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