O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Opening 22

Lorbeerkranz ohne Sieger

DAS SCHWEIGEN DER DAFNE
(Georg Beck, Christina C. Messner)

Besuch am
12. Februar 2022
(Uraufführung)

 

Opening 2022, Trier, TUFA, Großer Saal

Daphne erstarrte zum Lorbeerbaum, um sich gegen das herrschende System zur Wehr zu setzen und Apoll zu verschmähen, der sie heiraten will. Apoll bekränzte sein Haupt mit Lorbeerblättern, um seiner „ewigen“ Liebe Ausdruck zu verleihen. So erzählt es Ovid in seinen Metamorphosen. Dafne Caruana Galizia wird Ziel eines politischen Mordes, so scheint es erwiesen, weil sie sich gegen das herrschende System von Korruption und Intransparenz auf Malta als Journalistin zur Wehr setzen will. Als ihre Söhne posthum im Editorial ihrer eigenen Zeitung Taste & Flair ein Foto der Skulptur Apollo e Daphne des Künstlers Gian Lorenzo Bernini aus der Galleria Borghese in Rom veröffentlichten, schaffen sie damit eine Verbindung, die den Journalisten und Autor Georg Beck aufrüttelt.

Im Opening-Festival in Trier findet Beck die nötigen Partner, um das Stück Das Schweigen der Dafne entstehen zu lassen. Ein Team wurde zusammengestellt, das Libretto von Beck und die Musik von Christina C. Messner auf die Bühne zu bringen. Ende 2020 hätte es in Köln losgehen sollen. Immer wieder verschoben, weil die neuesten Corona-Maßnahmen der Regierung eine Aufführung wieder einmal unmöglich machten. Ein Problem, mit dem die Dafne-Leute keineswegs allein dastehen, das aber weitere Sorgen nach sich zieht. Die Akteure müssen sehen, wie sie Geld verdienen, können nicht mal eben zwei, drei Jahre auf hab acht stehenbleiben. Und so müssen jedes Mal, wenn sich eine neue Möglichkeit ankündigt, das Stück auf die Bühne zu bringen, die Menschen wieder aktiviert oder eben umbesetzt werden.

Alexander Steindorf, Anna Magdalena Beetz und Christina C. Messner (v.l.n.r.) – Foto © O-Ton

Jetzt aber ist es endlich so weit. Und es hat wohl so sein sollen, denn der Kreis schließt sich. Das Stück kehrt zum Ausgangspunkt seiner Idee zurück. Im Großen Saal der TUFA ist die Bühne von Monika Frenz hergerichtet. Nicht etwa auf der Bühne, die mit einem schwarzen Vorhang verdeckt ist, sondern davor breitet sich die Spielfläche aus. Auf dem Boden liegen ein weißes und schwarzes Quadrat nebeneinander, zwei Würfel komplettieren den Spielraum, hinter dem die Musiker mit ihren zahlreichen Instrumenten aufgereiht sind. Anna Magdalena Beetz hat in Hamburg Schauspiel, Gesang und Tanz studiert, sich seither auch mit der Regie befasst. Mit dem Ensemble von Pièrre.Vers, das seine Uraufführungen jährlich beim Asphalt-Festival zeigt, sammelt sie seit 2016 umfangreiche Erfahrungen mit dem dokumentarischen Theater. Da erwartet man schon fast, dass sie nun das Leben von Dafne Caruana Galizia in Wort und Dia präsentiert. Doch weit gefehlt. Beetz geht es ebenso wenig wie Beck um die historische Faktenlage als vielmehr darum, die Auseinandersetzung einer Frau mit feindseligen Systemen zu abstrahieren. Dazu braucht es genau zwei Personen. Die eine, die Dafne und Dafne darstellt, die andere, die diese Systeme repräsentiert. Oder konkreter: eine Tänzerin und einen Schauspieler. Auch Ele Bleffert belässt es bei der Auswahl der Kostüme eher im abstrakten Raum. Da haben die Darsteller und Musiker schwarze Bekleidung als Bezug zur Tragödie mit sandfarbenen Mänteln als Sinnbild einer natürlichen Umgebung übergestreift. Der Schauspieler darf auch anfangs schon mal im „Raumanzug“ den Mann als Subjekt eines anderen Universums darstellen, das sich unverstanden und unverständlich um die erstarrte und dem Publikum abgewandte Tänzerin dreht. Auch Beetz schreckt nicht vor Symbolik zurück, wenn sie etwa den Würfel als Fundament der Erstarrung oder als Ausgangspunkt der Selbstüberhöhung wählt oder die Tänzerin zu Zeitungsfetzen greifen lässt, die vielleicht das marode Mediensystem darstellen, aus dem man sich nun mühselig die Wahrheiten zusammensuchen muss. So ist auch der gesamte Wortanteil auf ein Minimum reduziert und dient nicht etwa der Klärung von Sachverhalten, sondern eher einer emotionalen, meist wütenden Stimmbildung.

Christina C. Messner – Foto © O-Ton

Ursprünglich war die Rolle der Tänzerin für Annick Pütz vorgesehen, die auch die Anfangschoreografie entwickelte. Aus Corona-Schutzgründen kann Pütz jedoch nicht teilnehmen, und ehe die Aufführung ein weiteres Mal verschoben wird, springt Beetz selbst als Tänzerin ein. Was man ohne Übertreibung als Glücksfall betrachten kann. Fast schon spielerisch gelingt es ihr, das zerrissene Wesen einer jeden Dafne darzustellen. Die Unsicherheiten, Suche nach geschützten Räumen, in denen sie wieder groß werden kann, Augenblicke der Unbekümmertheit wie auch einen flüchtigen Moment der Annäherung, der schnell in Fluchtbewegungen endet, setzt Beetz tänzerisch befreit um. Da wird der Gegenpart von Alexander Steindorf durchaus – gewollt – schablonenhafter dargestellt. Der Mann oder das System sind die, die sich über Wut und Machtpositionen äußern, da sieht selbst die ausgestreckte Hand eher nach Vereinnahmung oder Gewaltanwendung aus, ehe sie sich als Versuch einer Zärtlichkeit entpuppt, die „selbstverständlich“ scheitert.

Unterlegt wird das Bühnengeschehen mit Klängen, die Christina C. Messner komponiert hat. Messner selbst übernimmt die Geige, Dorrit Bauerecker das Akkordeon, Norbert Krämer ist für das Schlagwerk zuständig und Janko Hanushevsky übernimmt den E-Bass. Indem jeder Musiker zahlreiche zusätzliche Instrumente übernimmt und die eigenen Instrumente in ungewohnter Weise bedient, entsteht eine Klangwelt, die streckenweise auch als Filmmusik inklusive Geräuschkulisse durchgehen könnte. Allerdings kapriziert sich Messner allzu sehr darauf, den Hintergrund zu füllen. Hier hätte man sich durchaus mal den einen oder anderen deutlichen Akzent gewünscht. Und so schaden die Klänge keinem, entwickeln aber auch kaum Eigenständigkeit.

Das Publikum sieht ein herausragendes Ensemble, das mit viel Liebe und beharrlich für sein Projekt gekämpft hat, und weiß, das angemessen zu würdigen. Wer neben einem gelungenen Tanztheater auch die Hintergründe sehen will, dem empfiehlt sich vor dem Besuch, sich mit Daphne und Dafne zu beschäftigen. Die nächste Aufführung findet am 16. März in der Alten Feuerwache in Köln statt, später soll sie noch in Düsseldorf zu sehen sein. Mehr Informationen gibt es auf der projekteigenen Website.

Michael S. Zerban