O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Opening 23

Die Mischung macht‘s

OPEN SOURCE
(Diverse Komponisten)

Besuch am
4. Februar 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Opening 23, Viehmarkttherme, Trier

Der zweite Abend des internationalen Festivals für aktuelle Klangkunst Opening 23 schließt mit einem weiteren Höhepunkt. Allerdings ist das mit den Höhepunkten in Trier so eine Sache. Man muss sie erst mal finden. Das Understatement wird hier reichlich weit getrieben. Und da fragt man sich, wie weit der Blick aus der Blase noch reicht. Weder auf der Netzseite, auf den Aufstellern vor den Spielstätten noch im Faltblatt hat der Laie auch nur den Hauch einer Chance zu erkennen, welche Top-Musiker in der Römerstadt antreten. Währenddessen prangen im Vorraum des Großen Saals in der TUFA großformatige Poster zweit- bis fünfklassiger Spaßmacher. Kann man mal drüber nachdenken.

Da reisen beispielsweise Claudia Buder und Christina Meißner an. Beide Musikerinnen haben eine beachtliche Karriere hinter sich und für ihren Abend ein großartiges Programm in einer wirklich ungewöhnlichen Konstellation vorbereitet. Denn Meißner tritt als Cellistin und Buder am Akkordeon an. Gemeinsam sind sie das Duo Farve Contorno. Die beiden Musikerinnen haben den Anspruch, alte Klänge offenzulegen und neu zu bewegen. Dabei bewegen sie sich zwischen dem 15. Jahrhundert und der Gegenwart, ohne sich auf Festlegungen einzulassen. Will sagen, dass hier alles neu arrangiert ist. Dabei gelingt es ihnen, die beiden Instrumente in einen, ja, fast schon sensationellen Zusammenhang zu bringen.

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Los geht es nach einer kurzen Einleitung im 15. Jahrhundert mit Josquin des Préz‘ Tu Solus Qui Facis Mirabilia. Die beiden sind der Überzeugung, dass es sich hier um Musik für die Ewigkeit handelt, wenn man sich darauf einlässt. Ursprünglich ein Gesang, für den Meißner und Buder eine Klangform finden, die aufhorchen lässt. Omri Abram, 1986 geboren, hat das folgende Lied Lavan 2018 „mit freundschaftlicher Dankbarkeit gewidmet“. Lavan heißt Weiß und spiegelt im Grunde genau das wieder, was Menschen ohne eigenen Geschmack überhaupt erst die Einrichtung ihrer Wohnung ermöglicht. Da wird Weiß zur Grundfarbe, obwohl es keine ist, aber alle anderen erlaubt. Die klinische Sauberkeit des Grundtons bedingt den Glanz aller anderen Farben. Und schon geht es zurück zu des Préz und seinem Mille regretz. Mit Salvatore Sciarrino begeben sich die beiden auf Solo-Pfade. Vagabonde blu stammt aus dem Jahr 1998 und wird von Buder interpretiert. Nach einer Eigenkomposition, die etwas blass zurückfällt, interpretiert Meißner auf dem Cello Ai limmite della note aus dem Jahr 1984.

Noch einmal geht es in die Klänge der Ewigkeit mit Te Domine Speravi von des Préz, ehe auch dieser Abend eine Uraufführung bietet. Chaya Czernowin ist eine Komponistin, die 1957 in Haifa geboren wurde und seit ihrem 25. Lebensjahr abwechselnd in Deutschland, Japan und den USA lebt. Aus dem vergangenen Jahr stammt Gradual Edge – schwindende Kante – das Meißner als Werk für Cello und Orgel in Auftrag gab. Zum Festival haben Meißner und Buder das Arrangement für Cello und Akkordeon geschrieben. Auch hier gelingt den Interpretinnen die perfekte Übereinstimmung ihrer beiden Instrumente. Damit faszinieren sie das Publikum über den gesamten Abend bis zur selbst komponierten Ausleitung.

Es ist ein wundervoller Abend, der allein durch seine Sprachlosigkeit ein wenig verliert. Ein paar Worte hier und da hätten ihn sicher bereichert und einzelnen Stücken mehr Gewicht verliehen. Aber bitte schön. Lasst die Instrumente sprechen und der Musik Zeitlosigkeit verleihen, die sie in die Gegenwart trägt.

Michael S. Zerban