O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Opening 23

Im Gemälde getanzt

EIKON
(Annick Pütz)

Besuch am
4. Februar 2023
(Uraufführung)

 

Opening 23, TUFA, Großer Saal, Trier

Wenn man überhaupt irgendwelche Trends in der modernen Musik ausmachen will, dann ist sicher einer davon, die Grenzen des eigenen Genres hinter sich zu lassen und zu schauen, wie neue Klänge sich in neuen Räumen oder zu anderen Künsten verhalten. Ein schönes Beispiel dafür liefert Opening 23 in Trier als internationales Festival für aktuelle Klangkunst jetzt im Großen Saal der TUFA ab.

Annick Pütz, Choreografin und Tänzerin aus dem benachbarten Luxemburg, will mit der Uraufführung von Eikon Tanz, Zeichnung, Video und frei improvisierte Musik verschmelzen. An der Bühnenrampe ist weißer Stoff als Rückwand für die davorliegende Fläche aufgespannt. Die beiden Areale dienen als Projektionsflächen. Rechts und links davon bleiben dunkle Streifen frei, auf denen die Musiker mit ihren Instrumenten Platz genommen haben. Ein Beamer ist gut sichtbar vor dem Publikum aufgebaut, der im Wesentlichen die Lichtquelle des Abends darstellt. Er ist der Ausgangspunkt für die Video-Zeichnungen von Klaus Maßem, die quasi die Unterlage für den Tanz von Pütz bildet.

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Der Körper der Tänzerin ist ebenfalls nur sichtbar im Licht der Zeichnungen und soll so gleichermaßen zur Projektionsfläche werden. Die Absicht bleibt Wunsch oder allenfalls rudimentär erkennbar. Die Technik hat die Idee längst abgehängt. Und so wirkt der Abend wir ein Stummfilm in Zeiten des 3D-Kinos. Daran ändern auch die zweieinhalb Kostüme von Ela Bleffert nichts. Da wird der graue Anzug um einen Schlauch ergänzt und später gegen ein rotes Kleid ausgetauscht. Pütz sieht darin die Entwicklung vom abstrakten Körper zur empfindsamen Frau, ist im Programmheft zu lesen. Nachvollziehbar ist der Entwicklungsprozess nicht. Zu einfach und zu abrupt das Verschwinden hinter der Leinwand, um den Kleiderwechsel zu vollziehen. Und da bleibt auch der Wunsch, einen Tanz „in die Tiefe der Zeit und des Raums eines Augenblicks“ zu zeigen, unerfüllt. Für den Anspruch treibt die Körpersprache zu sehr an der Oberfläche. Nun heißt ja gerade im zeitgenössischen Tanz  eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch lange nicht, dass damit der Abend gescheitert sei. Gerade wenn es sich um eine Tänzerpersönlichkeit wie Pütz handelt, die sich zudem in Trier außerordentlicher Beliebtheit zu erfreuen scheint – die Zuschauerreihen sind bis auf den letzten Platz besetzt – darf man sich einer Tanzaufführung erfreuen, die sich dann eben an der Person festmacht und Beliebigkeit in Kauf nimmt.

Ursprünglich war für Eikon Musik von der Festplatte gedacht. Die Peinlichkeit bleibt dem Festivalbesucher erspart. Die Blockflötistin Eiko Yamadia und der Schlagzeuger Wolfgang Schliemann haben sich bereit erklärt, zum Tanzgeschehen vor Bilderfluten zu improvisieren. Wenngleich Yamadia sich auch wieder stark bemüht, tonlos auf ihrer ganzen Auswahl an Flöten zu spielen, entsteht doch ein musikalischer Rahmen, dem man die Improvisation nicht eine Sekunde abnimmt. Aber es gibt ja wohl keine bessere Improvisation als die, der man es nicht anmerkt.

Und so bleibt am Ende ein erfreutes Publikum zurück, dass sich mit herzlichem Applaus bedankt und ein erfreuliches Intermezzo erlebt hat, ehe es zur letzten Veranstaltung an diesem Abend geht. Da erwartet sie dann noch einmal eine Überraschung.

Michael S. Zerban