O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Schubertiade Schwarzenberg

Schubertiade Schwarzenberg 2024

Schöngesang mit vehementem Ausdruck

LIEDERABEND KONSTANTIN KRIMMEL
(Franz Schubert)

Besuch am
17. Juni 2024
(Einmalige Aufführung)

 

Schubertiade, Angelika-Kauffmann-Saal, Schwarzenberg

Wenn Konstantin Krimmel und Daniel Heide die Bühne in Schwarzenberg betreten, darf man getrost Außergewöhnliches erwarten. Schon am Samstag (O-Ton berichtete) bewies Krimmel, dass er das Publikum mit der Intensität seines Vortrags packen kann. Wenn daneben auch noch ein Pianist wie Daniel Heide sitzt, ist das ein Glücksfall. Schuberts Schwanengesang und Lieder nach Gedichten von Johann Gabriel Seidl stehen auf dem Programm. Die Reihenfolge beim Schwanengesang, von Schubert nicht festgelegt, haben die beiden Künstler noch kurz vorher geändert, eine dramatisch kluge Abfolge mit des Kriegers Ahnung am Ende des ersten und Der Atlas am Ende des zweiten Teils ist die Folge.

Foto © Schubertiade Schwarzenberg

Perlend, leicht und durchsichtig spielt Pianist Heide, aber auch ausdrucksstark und dramatisch. Er treibt an, bringt Dramatik, unterstützt den Sänger wirklich kongenial in dessen Ausdruckswillen, lässt ihn nicht allein in diesen teils grausamen Welten. Gleich merkt man seinem Spiel an, dass das lyrische Ich sich nicht in den brausenden Strom begeben sollte, bereitet er die Stimmungen für den Sänger vor. Heide malt die Landschaft und die Gefühlszustände seiner Helden. Zu besonders eindringlichen Momenten an diesem Abend gehört das trostlose Nachspiel zu Am Meer, bei: „das unglücksel’ge Weib vergiftet mit ihren Tränen“. Oder auch der letzte Ton in Kriegers Ahnung, mutig hässlich, verzerrt.

Und Krimmel? Er trumpft gegenüber Samstag in Verbindung mit dem inspirierenden Pianisten noch einmal auf. Seine schnörkellose, kernige Baritonstimme hat klare Höhen bis in die Tenorlage hinein, kann aber auch auf eine fundierte Tiefe bauen. Mit kluger Agogik, teils nachgebend, teils fordernd, gelingt ihm ein Vortrag mit absolut natürlicher Tongebung und Betonung. Die Phrasenenden werden immer abgefangen, man versteht nahezu jedes Wort. Dabei kann er auch Erotik in der Stimme zeigen, bei einem Bariton, der am Nationaltheater  München nächstes Jahr den Don Giovanni singen wird, unabdingbar. Unglaublich viele Farben stehen ihm zur Verfügung, seine „Silbertöne“ im Ständchen vergisst man so schnell nicht. Am Ende, in Der Atlas, sieht man förmlich, wie er das Gewicht des Felsens, den „Schmerz der Welt“ auf seinen Schultern trägt.

Krimmel singt auswendig, und der kundige Konzertbesucher merkt, dass beim Ständchen zwei Zeilen durcheinandergeraten sind. Marginalien, die er durch Intensität und Unmittelbarkeit bei Weitem wett macht. Die Zuschauer spenden trampelnden Applaus mit stehenden Ovationen, was die beiden Künstler auf der Bühne mit dem Schwanengesang nach Johann Chrysostomus Senn als Zugabe belohnen, um weitere Begeisterungsstürme hervorzurufen:

„Wie klag‘ ich’s aus
das Sterbegefühl,
Das auflösend
durch die Glieder rinnt?

Wie sing‘ ich’s aus
das Werdegefühl,
Das erlösend
dich, o Geist, anweht?“

Es klagt‘, es sang
Vernichtungsbang,
Verklärungsfroh,
Bis das Leben floh.

Das ist des Schwanen Gesang!“

Und dann tritt Krimmel an die Rampe und sagt, alle für sich einnehmend: „Eigentlich kann man hiernach nichts mehr singen, aber erlauben Sie mir, das Ständchen nochmals zu bringen, sonst kann ich heute Nacht nicht schlafen.“

Jutta Schwegler