O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Düsseldorf-Festival 2022

Gelungener Ersatz

SONNTAGSORGEL
(Diverse Komponisten)

Besuch am
18. September 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Düsseldorf-Festival, Andreaskirche, Düsseldorf

Es gehört zum guten Ton von Festivals, kleinere Veranstaltungen am Ort, die zeitgleich stattfinden, mit in ihren Terminkalender einzubinden. Das lässt den Kalender imposanter erscheinen, bindet ein Festival besser in die Örtlichkeiten ein und sorgt im Idealfall dafür, dass – gerade bei internationalen Festivals – auch die örtlichen und regionalen Künstler ebenfalls wahrgenommen werden. Und tatsächlich finden sich gerade bei solchen Aufführungen auch immer mal wieder kleine Juwelen, die das Festival schmücken.

Das ist auch beim Düsseldorf-Festival nicht anders, das vom 7. bis zum 26. September in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen stattfindet. Hauptspielort ist ein eigens dafür am Schlossturm in der Altstadt aufgebautes Theaterzelt, das ausreichend Platz auch für Attraktionen des neuen Zirkus bietet. Daneben bieten Museen, Kirchen, Industrieräume und Galerien in der Düsseldorfer Innenstadt zusätzliche Spielstätten vor allem für musikalische Aufführungen.

An diesem Sonntag ist in der Andreaskirche ein vierhändiges Klavierkonzert von Christiane Morys und Ben-David Ungermann angekündigt. Das findet im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Reihe Sonntagsorgel jeweils am Sonntag um 16 Uhr statt, ist jetzt als Koproduktion mit dem Düsseldorf-Festival ausgelegt. Geplant ist ein eher tänzerischer Nachmittag. Lateinamerikanische Tänze von Thomas A. Johnson, russische von Serge Bortkiewicz und spanische von Moritz Moszkowski klingen vielversprechend. Kirchenmusikalische Werke sollen das Programm abrunden. Erst nach Ankunft in der Kirche wird klar, dass daraus nichts wird. Morys ist auf der Treppe gestürzt und hat einen geschwollenen Fuß. Glücklicherweise hat sich Ungermann bereit erklärt, ein Ersatz-Programm auf der Orgel zu spielen.

Ungermann ist in Wuppertal geboren, erhielt seinen ersten Orgelunterricht mit vierzehn Jahren. Er studierte evangelische Kirchenmusik in Köln und ist seit 2000 Kirchenmusiker der Evangelischen Kirchengemeinde Hochdahl, arbeitet seither als Organist, Cembalist und Chorleiter. Daneben tritt er – gern im Duo mit anderen Künstlern – bei Konzerten auf. Heute also wird er überraschend als Solist das spärlich erschienene Publikum verwöhnen.

Ben-David Ungermann – Foto © O-Ton

Es scheint eine heilige Verpflichtung zu sein, in einer Kirche, einer evangelischen zumindest, kein Konzert geben zu können, ohne ein Werk von Johann Sebastian Bach zu spielen. Ungermann eröffnet den Nachmittag mit Präludium und Fuge in C-Dur, BWV 547, und schiebt die zweite von sechs Orgelsonaten Carl Philipp Emanuel Bachs in drei Sätzen hinterher. Bleibt immerhin noch genügend Zeit, den Hörern zu vermitteln, dass es auch durchaus noch andere Musik gibt, die man sich gern auf der Orgel anhört. Aus dem 19. Jahrhundert stammt das Russische Lied mit Variationen von George W. Morgan. Anschließend geht es in die Gegenwart. Ungermann spielt eigene Improvisationen zu Gottes Stern, leuchte uns. Da darf es dann auch mal etwas herzhafter zur Sache gehen.

Als nächster Punkt stehen Variationen über Auld lang Syne von Eugene Thayer, ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert, auf dem Programm. Da offenbart erst die wehmütige Melodie die Pointe. Längst vergangene Zeit – so die deutsche Übersetzung – ist eines der bekanntesten Lieder im englischsprachigen Raum, das 1711 entstand und traditionell zum Jahreswechsel gesungen wird, um der Verstorbenen des zu Ende gegangenen Jahres zu gedenken. Auch in Deutschland ist das Lied sehr bekannt. Nehmt Abschied, Brüder heißt das Lied hier. Da möchte man glatt mitsingen. Ein wunderbarer Einfall.

Noch einen Sprung gibt es in die Gegenwart. Von Enjott Schneider stammt Wir danken dir, Herr Jesu Christ. 1950 in Weil am Rhein geboren, lebt Schneider heute in München. Fast interessanter als das, was Ungermann an der Orgel intoniert, ist das Gesamtschaffen des Komponisten, der nach eigener Aussage Musik als die Sprache des Universums und der Freiheit betrachtet. Musik sei, sagt er, Kunst und gegen Kommerz und Kapitalismus gerichtet. In der Andreaskirche gibt es eine Nummer kleiner. Warum eigentlich?

Mit dem Concerto A-Dur in drei Sätzen spielt der Organist zum Schluss das Werk von Christoph Wolfgang Druckenmüller, einem Zeitgenossen von Johann Sebastian Bach, und schließt damit den Kreis. 50 Minuten fesselt Ungermann sein Publikum und liefert damit einen guten Ersatz für das ausgefallene Konzert, aber eben nur Ersatz. Immerhin aber gibt es damit schon einmal eine schöne Empfehlung für das bevorstehende Internationale Düsseldorfer Orgelfestival, das 50 Konzerte in der Zeit vom 30. September bis zum 7. November in Düsseldorf anbietet. Dann ist auch die Andreaskirche wieder als Spielstätte mit dabei.

Michael S. Zerban