O-Ton

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Düsseldorf-Festival 2022

Wegweisende Musik des Frühbarocks

PSALMEN DAVIDS
(Heinrich Schütz)

Besuch am
24. September 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Düsseldorf-Festival, Johanneskirche, Düsseldorf

Das Sammelwerk Die Psalmen Davids von Heinrich Schütz war im Erscheinungsjahr 1619 etwas ganz Neues in Deutschland. Denn dieses erste deutschsprachige geistliche Chorwerk basiert auf der Mehrchörigkeit, die im Gegensatz zu Italien, explizit Venedig, noch nicht etabliert war. In der Lagunenstadt ging der berühmteste deutsche Komponist des Frühbarocks bei dem Organisten Giovanni Gabrieli in die Lehre, von dem er dieses Handwerk lernte. Die damals wegweisende, von ihm selbst als Opus 2 bezeichnete Musik, im Schützwerkeverzeichnis – kurz SWV – mit den Nummern 22 bis 47 versehen, wird nun im Rahmen des Düsseldorf-Festivals in der Johanneskirche zur Aufführung gebracht.

Für die Liebhaber alter Musik und angesichts der spärlichen Informationen im Programmheft sind wohl ein paar erklärende Worte dazu nötig. Die Sammlung besteht aus 26 Titeln. Die Dauer der kompletten Aufführung ist dementsprechend abendfüllend. Vertont wurden 20 Texte aus dem Psalterium, also dem Buch der Psalmen. Des Weiteren dienten als Vorlagen eine Kirchenliedstrophe und je ein Text aus den Propheten Jeremia und Jesaja. Die Psalmen 128 und 136 setzte der Komponist zweimal in Töne. Gemeinsam ist allen Teilen die Mehrchörigkeit mit Basso continuo, auch Generalbass genannt. Vielfältig ist der musikalische Ausdruck: verhaltene Klage, ernste und fröhliche Stimmungen oder triumphales Lärmen.

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Es ist verständlich, dass nur zwölf der 26 Nummern aufgeführt werden. Alles andere hätte den aus Laiensängern bestehenden Kammerchor Düsseldorf bei weitem überfordert. Ausgesucht hat man sich SWV 23-27, 31, 33-36, 41 und 46. Die rund 25 Choristen legen sich hochmotiviert mächtig ins Zeug. Ausdrucksstark und verständlich singen sie die Texte. Dabei lotst sie Kantor Wolfgang Abendroth dank präzisen und aufmunternden Anweisungen zuverlässig durch den teils nicht leichten Notentext. Trotzdem sind ein paar Einsätze etwas unpräzise, manchmal ein wenig schüchtern und nicht ganz intonationsrein.

Die Gesangssolisten zeigen sich bei vier Vertonungen ausgezeichnet präpariert. Sie gestalten ihre Partien ausgewogen und zeichnen die Textinhalte gefühlvoll nach. Sind der Sopran von Theresa Nelles und der Tenor von Ulrich Cordes tragfähig, können sich Altistin Eva Marti und Bassist Joachim Höchbauer dynamisch nicht immer durchsetzen.

Für die musikalische Begleitung ist die Barockformation Musica Fiata mit historischen Instrumenten zuständig. Neben der bekannten Posaune, Geige und Bratsche erklingen auch im kleinen Orchester die zu Schütz Zeiten geläufigen Instrumente Zink und Dulzian. Der Zink besteht aus einem konischen Holzrohr mit sieben Grifflöchern, ist eine chromatische Grifflochtrompete und gehört zur Klasse der Lippenton-Aerophone. Der Dulzian ist ein Vorläufer des Fagotts. Mit dabei ist auch der Chitarrone, ein Typ der Theorbe. Er gehört zur Familie der Laute und besteht aus zwei Wirbelkästen. Er wird als Generalbassinstrument eingesetzt. Dieses Instrument spielt Vanessa Heinisch. Ihr zur Seite sitzt Christoph Lehmann am Orgelpositiv. Beide spielen während des gesamten Verlaufs den Basso continuo äußerst routiniert und zuverlässig. Da sich Abendroth überwiegend um den Chor kümmert, achten die Barockspezialisten unter der Ägide des am Zink mitspielenden Roland Wilson links und rechts vor dem Altarraum sehr konzentriert auf exakte Einsätze. Abgesehen von ganz wenigen Stellen gelingt ihnen das ausgezeichnet. Gerade allein, bei Giovanni Gabrielis Canzon XVI, beweist das Kammerorchester qua akkurater Tongebung, Spieltechnik und historischer Aufführungspraxis, dass es professionell die barocke Musik mit ihren mannigfaltigen Gestaltungsmöglichkeiten beherrscht und verinnerlicht hat.

Knapp 90 Minuten an einem Stück dauert das Konzert, das vom zahlreich erschienenen Publikum mit langanhaltendem Beifall honoriert wird.

Hartmut Sassenhausen