Kulturmagazin mit Charakter
IDO-Festival 2024
ORGEL & TUBA-QUARTETT
(Diverse Komponisten)
Besuch am
14. Oktober 2024
(Einmalige Aufführung)
Es gehört zu den guten Gepflogenheiten des Internationalen Düsseldorfer Orgel-Festivals, ein Konzert mit dem Instrument des Jahres in Verbindung mit der Orgel zu veranstalten. Das Instrument des Jahres wird vom Deutschen Musikrat ausgerufen und ist in diesem Jahr die Tuba. Die Tuba ist das Bassinstrument aus der Familie der Bügelhörner, also solcher Blechblasinstrumente, die durch ihre weite Mensur mit dem Horn verwandt sind. Man findet die Tuba im Orchester, häufig aber auch in Blaskapellen. Als Solo-Instrument ist sie eher ungewöhnlich, und als Begleitinstrument zur Orgel kennt man sie eigentlich gar nicht.
Trotzdem oder gerade deswegen nahm das Melton-Tuba-Quartett die Herausforderung gerne an, als das Festival anfragte. Melton ist übrigens der Name des Instrumentenbauers und nicht etwa des Ensemblegründers, wie man annehmen könnte. Für ein solches Instrument legt man im Schnitt um die 15.000 Euro hin, je nach Ausführung auch gern schon mal das Doppelte. Das Quartett wurde 1987 gegründet, sitzt in Wüfrath und ist nach eigenen Angaben das erste und bis heute einzige seiner Art in Deutschland. Mitglieder des Quartetts sind Ulrich Haas, Hartmut Müller, Heinz Triebener und Jörg Wachsmuth.
Foto © O-Ton
Ihnen zur Seite steht die Organistin und Pianistin Katharina Königsfeld. Geboren in Bamberg, studierte sie Klavier und Orgel an der Folkwang-Universität in Essen. Heute ist sie vielseitig unterwegs. Eine eigene Konzertreihe im Schloss Burgellern, künstlerische Leiterin der Orgelakademie Kitzbühel, kammermusikalische Ensembles sind neben einer regen Solisten-Aktivität nur wenige Beispiele ihres Schaffens. Gemeinsam mit dem Quartett hat sie ein Programm zusammengestellt, das für eine sehr gut besuchte Kirche sorgt.
Königsfeld hat sich offenbar vorgenommen, neben ihrem gemeinsamen Spiel mit den Tubisten die Möglichkeiten der Rieger-Orgel auszukosten. Und so beeindruckt sie gleich zu Beginn mit dem Grand Choer in D-Dur „à la Händel“ von Alexandre Guilmant, einem Werk des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Hartmut Müller übernimmt die Moderation, wenn es um die Musik des Quartetts geht. Das beginnt mit großer Fröhlichkeit, wenn die vier die Danza „Tarantella Neapolitana“ von Gioacchino Rossini anstimmen. La Danza stammt aus dem Liederzyklus Les soirées musicales, ist von vielen berühmten Sängern interpretiert worden und kennt vielerlei Transkriptionen. Auch für die Tuba ist dabei der 6/8-Takt eine Herausforderung, die die vier heute Abend mit Leichtigkeit und Freude absolvieren. Aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach von Johann Sebastian Bach spielt das Quartett das Lied Bist du bei mir und die Badinerie, schließt den Ausflug in die Welt des Kirchenmusikers mit dem Marsch in D-Dur ab.
Die Organistin schließt sich mit zwei weiteren Werken französischer Komponisten aus dem 18. und 19. Jahrhundert an. Mit Rigaudon von André Campra und dem Grand choer dialogué von Eugène Gigout schafft Königsfeld nicht weniger als die Basis für ihren ganz großen Auftritt, der allerdings noch ein wenig warten muss. Vorerst präsentieren die Tubisten A Story From The Lower Westside, eine Suite aus den drei Songs One Hand, One Heart, Somewhere und Maria aus der West Side Story von Leonard Bernstein. Das Arrangement ist allerdings eher etwas für Anhänger der Tuba als für die der West Side Story. Das ist nicht weiter tragisch, denn das Stück soll ohnehin nur der Überleitung und Einstimmung auf die amerikanische Musik dienen, denn die Musiker kommen im nächsten Schritt zu ihrem ganz persönlichen Höhepunkt des Abends. In Kooperation mit den Duisburger Philharmonikern haben sie bei John Stevens ein Grand Concerto 4 Tubas in Auftrag gegeben. Daraus haben sie aus dem dritten Satz, der Ballade, ein neues Arrangement für Orgel und Tuben anfertigen lassen, dessen Uraufführung nun die Besucher der Lambertus-Basilika genießen dürfen. Ein wahrhaft eindrucksvoller Moment.
Foto © O-Ton
Und wenn die Stimmung hohe Wellen schlägt, soll man sie steigern – oder so ähnlich. 1995 schuf Joseph Vilsmaier einen der großartigsten Filme deutscher Provenienz überhaupt. Schlafes Bruder basiert auf dem Erfolgsroman des Österreichers Robert Schneider, der auch die Adaption übernahm. „Schlafes Bruder ist ein Film von beklemmender Intensität und überwältigender Romantik. Er ist eine unvergessliche Mischung von stürmischer, begeisterter Musik, greifbar visuellen Bildern und einer Besetzung, die von einem anderen Raum und einer anderen Zeit gekommen zu sein scheint“, urteilte Hubert von Goisern, der mit für die Musik verantwortlich zeichnete. Recht hat er, und wenn man im Film die Improvisation über das Extemporale des Chorals Komm, o Tod, du Schlafes Bruder von Johann Sebastian Bach hört, scheint einem in der Tat die Welt abhanden zu kommen. Wirklich stammt die Improvisation, eine Toccata, aus der Feder Enjott Schneiders, und sie ist – vollkommen unbegreiflich – nur selten bis gar nicht zu hören. Während im Film eine dramatische Zuspitzung der Komposition zu hören ist, trägt Königsfeld sie in Gänze vor. Das Publikum in der Klangkathedrale der Düsseldorfer Altstadt ist schlicht ergriffen.
Da kommt das Allegro, der zweite Satz aus der Ouvertüre von Gioacchino Rossinis Oper Wilhelm Tell, gerade recht, um die Besucher wieder in die irdischen Freuden zurückzubringen. Die Tuba-Solisten haben sichtlich ihren Spaß am Vortrag der bekannten Melodie. Mit dem Blumenwalzer aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Schwanensee ist alsdann das gelungenste Arrangement für Tuba und Orgel zu hören. Als Zugabe hat das Quartett The Lost Chord von Arthur Sullivan mitgebracht.
Das Publikum ist zurecht begeistert von einem Abend, der jeder Kritik entbehrt. Da muss Intendantin Frederike Möller noch einige Trümpfe im Ärmel haben, wenn sie das Niveau halten will. Dieser Abend zumindest ist ein Versprechen.