Kulturmagazin mit Charakter
Kunststücke
Die Albertina Wien präsentiert in ihren Räumlichkeiten neben ihrer eigenen Sammlung laufend Sonderausstellungen, die in bestens aufbereiteter Form bedeutende Kunstwerke und Künstler vorstellen. Noch bis zum 8. Januar kommenden Jahres wird der amerikanische Künstler Jean-Michel Basquiat vorgestellt.
Foto © O-Ton
Seine Biografie ähnelt einem traurigen Märchen. 1960 ist Jean-Michel Basquiat als Sohn eines Haitianers und einer Puerto-Ricanerin geboren. Früh zog die Familie in das von wirtschaftlichen und sozialen Problemen gebeutelte New York. Rasch lernte das begabte Kind drei Sprachen und erhielt eine gute Ausbildung inklusive Kunst und Kultur. Vom Vater verstoßen, zog der junge Basquiat nach dem Tod der geliebten Mutter zu Hause aus und begann seinen öffentlichen, lebenslangen Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Er wird der erfolgreichste afro-amerikanische, ja, amerikanische Künstler überhaupt, aber den politischen Kampf verliert er ebenso wie den gegen Drogen. 1988 stirbt der ehrgeizige, nach Erfolg strebende und getriebene Künstler mit 27 Jahren an einer Überdosis. In nur sieben Jahren erreichte er eine magische Karriere, schuf über 2000 Werke, war der gefeierte Star des wieder aufstrebenden New York voller künstlerischer Energie und der Liebling des Establishments; Anerkennung und Gleichberechtigung erhielt er nicht. Obwohl er das teuerste amerikanische Gemälde – untitled 1983 – schuf, das 2017 um 110 Millionen US-Dollar versteigert wurde, findet er in keinem der angesehenen Museen seinen gerechten Platz. Untitled ist eine großflächige Darstellung eines in schwarz und blau gehaltenen Schädels und steht repräsentativ für den symbolischen, expressiven Malstil des Künstlers.
Die Albertina Wien, eine der wichtigsten Kunstsammlungen weltweit, zeigt nun eine hochinteressante, aufschlussreiche Gesamtschau seines Schaffens und dokumentiert in bestens kuratierter Ausstellung die unerbittliche Stimme gegen weiße Autorität und Polizeigewalt.
Mit Spraydose beginnt er hauptsächlich mit Texten, wandert vom Graffiti auf der Straße in das Atelier mit Pinsel und Stift. Seine Bilder werden komplexer, die Farben kühner und expressiver.
Nach einem Unfall als Siebenjähriger bekommt er von der Mutter eine Ausgabe von Gray Anatomy. Das Buch liefert seiner Fantasie den menschlichen Körper, insbesondere den Schädel als zentrales Motiv. Sein afro-amerikanisches und afro-karibisches Erbe mit Voodoo-Kult fließen in die Symbolik des Schädels ein, der sich markant auf vielen Gemälden findet. Später setzt er ihm die Krone als Symbol seines Hinterfragens von Machtverhältnissen, Ruhm und Ansehen auf. Die zumeist großflächigen Bilder und Zeichnungen sprechen eine klare Sprache, Basquiats Umgang mit Farben ist wahre Magie. Seine Bilder berühren, wecken auf, brennen unter der Haut, sprechen für sich.
Sein neoexpressiver Zeichenstil steht der Konzeptkunst und dem Minimalismus gegenüber. In einem Mix von Graffiti, Schrift, Objets trouvés, Cartoon und Bildzitaten schöpft er eine ausdrucksstarke, krasse Anklage, gibt der Black Power eine künstlerische Botschaft.
Andy Warhol ist ein bedeutender Wegbegleiter und Freund des aufstrebenden Stars, der auch dem Etablierten wieder frische Inspiration gibt. Über 150 Arbeiten, sogenannte collaborations entstanden gemeinsam, auch davon wird in der Ausstellung ein Ergebnis gezeigt.
Zur Einführung lohnt der 20-minütige Film, der kompakt viel Wissenswertes über den Ausnahmekünstler erzählt und auch den Menschen herausstreicht.
Die Albertina Wien zeigt die eindrucksvolle Ausstellung noch bis zum 8. Januar kommenden Jahres.
Helmut Pitsch