O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Kölner Fest für Alte Musik 2018

Zwischen ZZ Top und Dowland

LUTES AND UKES
(Diverse Komponisten)

Besuch am
25. März 2018

 

Kölner Fest für Alte Musik, Balloni-Hallen

Das Kölner Fest für Alte Musik endet so schön, wie es angefangen hat: Die Balloni-Hallen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Für den letzten Abend haben sich Thomas Höft, Künstlerischer Leiter des Festivals, und sein Team noch mal etwas Besonderes einfallen lassen. Besser kann man die Philosophie des Festivals kaum vertonen: Alte Musik ist all jene Musik, die bis gestern gespielt wurde. Dazu später mehr.

Eingeladen sind Lutes and Ukes, eine Gruppe von Musikern, die sich aus Elizabeth Kennys Theatre of the Ayre und dem Ukulele Orchestra of Great Britain zusammensetzt, also Lauten- und Ukulele-Spielern, die zudem noch singen können. Die schmucklose Bühne ist vollgestellt mit Instrumenten, Mikrofonen und Notenständern. Dahinter verschanzen sich die acht Musiker. Die Verbindung der Mini-Gitarren mit den historischen Saiteninstrumenten funktioniert erstaunlich gut. Und wären die Mikrofone besser ausgesteuert, fiele vermutlich nicht einmal der Volumen-Unterschied auf. Da wird in der zweiten Hälfte des Konzerts ordentlich nachgebessert. Bis dahin gibt es aber schon mal jede Menge Hörgenuss quer durch die Jahrhunderte. Mit Ich fare vo hyn wen ess muss syn aus dem Wolfenbütteler Lautenbuch des 16. oder 17. Jahrhunderts lässt Clara Sanabras aufhorchen. Geboren in Frankreich, ist sie in Barcelona aufgewachsen und dann nach London gegangen. Ihre zumindest gesanglichen Sprachkünste sind ebenso eindrucksvoll wie ihr Stimmumfang, den sie im späteren Verlauf noch ausführlich vorstellt. Da gibt es neben John Dowlands Can she excuse, Now o now I needs must part aus dem 16. Jahrhundert mit zwei Liedern auch gleich noch einen Ausflug ins Portugiesische.

POINTS OF HONOR

Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Fröhlich geht es weiter durch die Jahrhunderte. Mit Harold Faltermeyers Axel F gibt es einen „Klassiker der Moderne“. Ein 68-er würde das vermutlich mit „geile alte Mucke“ kommentieren. Brillant vorgetragen ist es allemal. Und immer muss man auf die Feinheiten achten, wenn etwa nach dem großartig vorgetragenen Blues-Duett von From Four ´till Late von Robert Johnson aus dem 20. Jahrhundert Nick Browning den Devil Dance aus dem 16. Jahrhundert mit Bottleneck-Technik vorträgt. Übrigens auch von Robert Johnson, allerdings wohl eher dem Jüngeren. Insgesamt haben die Briten die Musik von drei Komponisten namens Robert Johnson zusammengetragen.

Nach der Pause beginnt Leisa Rea mit dem Vortrag der Killer Queen von Freddy Mercury. Hier hätte man allerdings mehr erwartet. Das ist eindeutig zu brav interpretiert. Und es bleibt ein wenig ruhig, wenn die Truppe Tänze aus dem 17. Jahrhundert vorträgt. Sehr viel eindrucksvoller ist Sanabras‘ Vortrag von I never loved a man the way I love you von Ronnie Shannon. Da ist aus heutiger Sicht durchaus Doppeldeutiges im Spiel. Großartig wird es, als George Hinchcliffe erklärt, dass Bennie Benjamins I don’t want to set the world on fire für seine Großeltern ein ganz altbackener Song, für seine Kinder aber topaktuell ist. Und er erzählt auch, warum: Der Song, wiederum von Browning eindrucksvoll gesungen, ist der Soundtrack eines Computerspiels.

Leisa Rea und Clara Sanabras – Foto © O-Ton

Sie alle spielen an diesem Abend wundervoll. Insbesondere Elizabeth Kenny, Jake Heringham und Dai Miller zeigen, wie aktuell Laute, Bass-Laute und Zither wirken können, wenn man sie nur richtig spielt. Und Dave Bowie am Kontrabass ist sowieso eine Nummer für sich. Das Spektrum von höfischer Musik bis zum Blues begeistert das Publikum. Und die Nummer Gimme All Your Lovin von ZZ Top setzt zum Schluss allem die Krone auf. Dass Lutes and Ukes entgegen der Vorankündigungen weitaus weniger lustig daherkommen und sich auch ihre Kommentare auf ein wenig britischen Humor beschränken, der sich vorwiegend in Eigenwerbung ertränkt, geht zugunsten ihrer Virtuosität und konzentrierten Spiels vollkommen in Ordnung. Dass nach nur einer Zugabe der Abend zu Ende geht, schon weniger. Allerdings bieten auch die schnell aufbrechenden Besucher keine Motivation, das Spiel noch weiter zu treiben. Insgesamt ein großartiger, entspannter Abend ohne Bach, Telemann oder Händel, der trotzdem – oder gerade deswegen – als ein besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben wird.

Und so kann die Bilanz des Festivals sich sehen lassen. In der Vielfalt schier grenzenlos, gab es viele neue Erkenntnisse, Höft lotete neue Aspekte einer richtig alten Musik aus und verband sie zeitlos über die Jahrhunderte. Während in Berlin zeitgleich wichtige Menschen der Alten Musik über ihre Weiterentwicklung diskutierten und als überraschende Erkenntnis den Begriff als solchen in Frage stellten, fand in Köln ein ausgesprochen abwechslungsreiches Fest statt, dass die Alte Musik ausgesprochen ernst nahm, ohne sie auf dem Altar der Eingeweihten zu feiern. 6700 Besucher aller Couleur waren in den vergangenen Wochen anwesend, eine Steigerung um etwa 300 Besucher. Damit verbunden war ein deutlicher Einnahmenzuwachs. Höft hat für das Festival das richtige Profil gefunden, das auch Besucher anzieht, die üblicherweise mit der Alten Musik nicht so viel am Hut haben. Und möglicherweise ist auch das „Campus-Feeling“ wichtiger als die Vielfalt von Spielstätten. Das müssen die Verantwortlichen für das kommende Jahr entscheiden. In diesem Jahr haben sie, und insbesondere Thomas Höft trotz der Grippe, die auch ihn ordentlich erwischt hat, für ein entspanntes, friedvolles und immer neue Facetten aufwerfendes Festival gesorgt. So, und nur so, kann es weitergehen.

Michael S. Zerban