O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Susanne Diesner

Schumannfest 2022

Im feinen Zwirn

ON VACATION
(Diverse Komponisten)

Besuch am
8. Juni 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Schumannfest 2022 in der Tonhalle, Düsseldorf

Nun geht es also los, das Schumannfest, das die Tonhalle bis zum 27. Juni einschließlich in Düsseldorf an verschiedenen Spielstätten ausrichten wird. Unter dem Motto „Kunst total“ greift die Tonhalle als Veranstalterin auf eine besondere Zeit in Robert und Clara Schumanns Leben in Düsseldorf zurück. „Kunst spiegelt sich hier in allem, was Euch umgibt“, sagte ein Maler jener Zeit, in der die Künste in Düsseldorf, eben „aus den Zwängen feudaler Strukturen“ befreit, zusammenrückten. Etwas Ähnliches schwebt den Organisatoren vor, die in diesem Jahr versuchen, Musik und bildende Kunst in einen Dialog zu bringen. Jetzt aber gilt es erst mal, einen glänzenden Auftakt hinzulegen.

Ihn als Nachbarsjungen zu bezeichnen, ist vielleicht ein wenig verwegen, denn wenn Till Brönner auch in Viersen geboren ist, nahmen ihn seine Eltern schon als Kleinkind mit nach Rom, wo sie an einer deutschen Schule lehrten. 1990 absolvierte Till sein Abitur in Bonn-Bad-Godesberg, ehe er an der Kölner Musikhochschule Jazztrompete studierte. Diese Zeit dürfte ihn als „rheinische Jung“ deutlich mehr geprägt haben. Wenn er nach dem Studium nicht eine internationale Karriere begonnen hätte. Heute lebt er, wenn er denn mal zu Hause ist, im schönen Potsdam oder an seinem Zweitwohnsitz in Los Angeles. Aber, und deshalb ist es eigentlich egal, ob er aus der Gegend kommt oder nicht, heute übernimmt er mit seiner Band das Eröffnungskonzert im Mendelssohn-Saal der Tonhalle Düsseldorf.

Die Tonhalle hat sich dafür ordentlich ins Zeug gelegt. Die Plätze hinter der Bühne sind hinter einem schweren Vorhang verborgen. Die Technik für die Akustik ist ebenso hochgefahren wie die Beleuchtungstechnik. Und da geht ordentlich was, wie sich in Kürze zeigen wird. Nachdem der Oberbürgermeister sein dankenswert kurzes Grußwort abgelesen und der Intendant der Tonhalle, Michael Becker, seine Begrüßung gewohnt fluffig unter anderem mit dem Hinweis, dass Robert Schumann heute seinen 212. Geburtstag gefeiert hätte, gestaltet hat, geht es los. Sechs Herren in dunkelgrauen, sehr eleganten Anzügen betreten die Bühne. Brönner stellt sich an den Bühnenrand, schaut scheinbar staunend in den Publikumsraum, der früher bei Künstlern seiner Zugkraft bis auf den letzten Platz gefüllt war, und freut sich, dass wenigstens knapp die Hälfte der Plätze, großzügig bemessen, besetzt ist.

Mit dem Swing-Klassiker The Good Life von Sacha Distel aus dem Jahr 1969 geht es los. Ganz entspannt. Olaf Polziehn zeigt schon mal mit einem Solo, was er am Flügel zu bieten hat. Die drei Tage des Condor in der Regie von Sydney Pollack aus dem Jahr 1975 gehört immer noch zu seinen Lieblingsfilmen, verrät Brönner. Und das mag auch an der Titelmusik liegen, die von Dave Grusin stammt und jetzt grandios vorgetragen wird. Dabei treten Bassist Christian von Kaphengst und Tenorsaxofonist Mark Wyand mit einem Duo in den Vordergrund.

Wohldosiert trägt Brönner kleine Anekdoten vor, die im Publikum für viel Heiterkeit sorgen, auch wenn manches ernster ist, als es zunächst klingt. Wenn der Musiker etwa von seiner Erkältung berichtet. Der Amtsarzt sei da gewesen, habe ihm bescheinigt, dass er krank sei, aber er sei ja auch Solo-Selbstständiger. Also geht es ab auf die Bühne. Dort werde jetzt das Weihnachtsprogramm vorgetragen, weil dank der Pandemie die Konzerte immer wieder verschoben werden mussten. Brönner trägt das sarkastisch vor, auf einzelne Spitzen beschränkt, weil er weiß, dass auch das Publikum nicht mehr mit den zurückliegenden Ungeheuerlichkeiten umgehen kann und will. Da ist es doch schöner, sich von der Entstehung des Albums On Vacation in Zusammenarbeit mit Bob James im französischen San Remy erzählen zu lassen. Ganz wunderbar das nachfolgende Stück Talking about Lavendelfelder – so zumindest bezeichnet Brönner es an diesem Abend – das verträumt am Klavier beginnt, ehe Brönner und Wyand durch die Felder toben, ehe sich die Trompete allein auf die Weiterreise begibt. Anschließend gibt es einen Ausflug nach Brasilien. Mit Café com pão und Só danço Samba lässt Brönner auch seine Gesangskünste erklingen. Das sorgt noch einmal für einen Stimmungsschub, auch wenn hier das Mikrofon nicht optimal ausgewählt zu sein scheint. Bei einem Ausflug zu Billy Joël und Europa von Carlos Santana bekommen auch Christian Frentzen an den Keyboards und Gitarrist Bruno Müller Gelegenheit, ihre Kunstfertigkeit zum Ausdruck zu bringen.

Wenn beim letzten Stück David Haynes sein Schlagzeug ausgiebig bearbeitet, ist das Urteil des Publikums gefallen. Stehend erzeugen die Besucher mit ihrem Applaus eine Lautstärke, die nicht vermuten lässt, dass nur die Hälfte des Saals gefüllt ist. Erst nach der erkämpften Zugabe geht eine mitreißende Aufführung nach knapp zwei Stunden zu Ende.

Michael S. Zerban