O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Kunststücke

Auf der Suche nach dem Neuen

Viel ist in diesen Tagen vom „neuen Kunstpalast“ in Düsseldorf zu lesen und zu hören. Und immerhin sind von der Stadt, also von den Steuerzahlern, gerade 50 Millionen Euro investiert worden, um das zu ermöglichen. Vom 21. bis 26. November ist die Wiedereröffnung nach dreijähriger Bauzeit kostenlos zu erleben. Allzu viel Neues sollten die Besucher allerdings nicht erwarten.

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Die Erleichterung ist groß: Es gibt keinen neuen Kunstpalast am Ehrenhof in Düsseldorf. Lediglich kleinere Veränderungen im Mittelbau sind zu bemerken. Da gibt es nun ein gläsernes Restaurant im Erdgeschoss. Das ist angenehm unauffällig gehalten. Ansonsten ist es noch dasselbe Gebäude, das 1926 nach Entwürfen von Wilhelm Kreis fertiggestellt wurde. Auch eine Sanierung zur Jahrtausendwende hatte an der Außenfassade nichts geändert. Seit 2020 fanden umfangreiche Sanierungsarbeiten statt, die ursprünglich im Februar dieses Jahres hätten fertiggestellt sein sollen. Nun, im November, ist es also so weit. Das Museum öffnet seine Pforten wieder für das Publikum. Rund 800 Kunstwerke aus der etwa 130.000 Objekte umfassenden Sammlung werden – abermals: neu – präsentiert.

Voller Stolz berichtet die örtliche Tageszeitung davon, dass sich am ersten Tag der Eröffnungswoche gar am Morgen eine Schlange vor der Eingangstür gebildet habe. Am zweiten Tag ist das Museum davon weit entfernt. Die Befürchtung, dass sich lärmende Horden von Schulklassen durch die nunmehr 49 Museumsräume bewegen, löst sich rasch in Luft auf. Erst am Nachmittag herrscht allmählich so viel Betrieb, wie man es sich an einem normalen Tag in einem Museum wünschte. Dabei sollten die Erwartungen – und damit die Neugier – der Bevölkerung doch hochgesteckt sein. Denn, so ist auf der Netzseite des Museums nachzulesen, hier „konnte die Vision eines zeitgemäßen, offenen Museums, in dem sich alle Menschen – unabhängig von Alter und kunsthistorischer Vorbildung – wohlfühlen“ verwirklicht werden.

Ein „chronologischer Rundgang“ ist weder neu noch wirklich zeitgemäß, sondern eher eine Renaissance veralteter Museumskonzepte. Aber das muss ja nicht schlecht sein. Der, so heißt es weiter, „schlägt einen Bogen von der Kunst des Mittelalters über die Sammlungsschwerpunkte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwartskunst“. Man kann Kunst ja durchaus vermitteln, indem man sie in die geschichtlichen Zusammenhänge ihrer Entstehungszeit stellt. Und allein schon in der Zusammenstellung der Kunstwerke kann man da einiges bieten. „Ob Miniatur oder Monumentalwerk, Alltagsgegenstand oder Schmuckstück, Plastik oder Porzellan, Zeichnung oder interaktive VR-Installation – die Werkauswahl vereint Exponate aus allen Gattungen“, verspricht das Museum denn auch. Nachteil einer solchen Anordnung ist sicher, dass man erst nach einem langen, ermüdenden Marsch durch Ölschinken in der Gegenwart ankommt.

Auch Sprache ist Kunst

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Ärgern allerdings kann man sich von Anfang an. Eigentlich erfreulich ist, dass Schrifttafeln einen Überblick über den geschichtlichen Abschnitt der gezeigten Exponate bieten wollen. Dass solche Tafeln sich dann über alle geltenden Rechtschreibregeln hinwegsetzen und die Bevölkerung, die sich bekanntermaßen zu mehr als 75 Prozent dagegen ausgesprochen hat, versucht, ideologisch mit Sternchen beeinflussen zu wollen, ist neben anderen Schreibfehlern hanebüchen. Hier zeigt sich fehlendes historisches Bewusstsein, mit dem sich eine dümmliche Minderheit, die sich auch noch „elitär“ fühlt, ihren Besuchern aufdrängt und zugleich Männer diskriminiert, indem sie ihnen den Plural verweigert. Eine Steigerung ist immer noch möglich. Der Text zu Bruno Paul, der einen Leiterstuhl entwickelt hat, schlägt einem auf den Magen. „1937 musste er zwar die Preußische Akademie der Künste verlassen, er fand aber dank einer späteren Mitgliedschaft in der NSDAP Aufnahme in die ‚Gottbegnadeten-Liste‘ und blieb so vor einem Kriegseinsatz bewahrt“, heißt es da tatsächlich im Erläuterungstext zum gezeigten Modell. Da soll sich also der Besucher freuen, dass sich ein Künstler nicht nur den Nazis angeschlossen hat, sondern auch noch zu deren höchsten Weihen emporgekommen ist. Das wirft ein höchst bedenkliches Licht auf die geistige Gesinnung des Hauses. Dazu passt dann auch ganz gut die Ausstellung von Arno Brekers Frühwerk Die Kniende.

Ohnehin ist es mit der historischen Konsistenz nicht weit her. Wenn von Künstlervereinigungen und -kollektiven die Rede ist, sucht man vergeblich nach dem Jungen Rheinland. Und wer nach der Ankündigung, welch bedeutende Rolle die Fotografie ab 1839 spielt, nach Belegen sucht, stößt auf den Borghesischen Fechter, eine Skulptur, aber nicht auf Fotografien. Gut, wer sich so überbordend mit der Spaltung der Gesellschaft in Geschlechter beschäftigt, kann nicht auch noch die richtigen Anschlüsse im Blick haben.

Halbwegs nachempfundene Stadtgeschichte

Wer nicht unbeachtet an dem Eingang vorbeigeht, der mit „On Spot“ beschriftet ist, findet einen der Höhepunkte der Sammlung. Man landet in dem Raum, der den „Palast-Piloten“ vorbehalten ist. Das sind neun Menschen, die aus über 1.000 Düsseldorfern ausgewählt wurden, um die Teilhabe der Bevölkerung an der Museumsgestaltung zu demonstrieren. Jeder von ihnen durfte jeweils ein Objekt auswählen. Das Ergebnis ist eindrucksvoll. Ernüchterung erwartet einen beim Besuch des Creamcheese. 1967 in der Neubrückstraße 12 eröffnet, war das Creamcheese drei Jahrzehnte lang ein Club, in dem Musikgeschichte geschrieben wurde. Der Kunstpalast hat das Interieur in seinen Räumen wieder aufgebaut. Und angekündigt, dass es dort wiederbelebt würde. Jetzt ist dort der kahle Innenausbau zu sehen. Gibt es etwas Traurigeres als ein leerstehendes Lokal? Da kann man von Glück reden, dass im gleichen Moment ein „Veteran“ im Raum ist, der lautstark mit feuchten Augen von seinen Erinnerungen an den Club berichtet. Inzwischen geht der Mann an Krücken, aber wird sein Schritt nicht etwas leichter, als er sich dem hinteren Raum nähert? Wunderbar. So wie der Uecker-Nagel, der in einer Ecke versteckt ist, oder das Objekt, das unter die Decke gehängt ist und die Bestückung des Tresens zeigt. Und wer das Treppenhaus etwa auf der Hälfte des „Rundgangs“ entdeckt, das zum Restaurant hinunterführt, sollte es benutzen. Hier sind Fotografien aus der Blütezeit des Lokals aufgehängt. Unbedingt sehenswert.

Modern, neu, innovativ – ist nichts in der Sammlung des Kunstpalastes. Was ja nicht heißt, dass sich ein Besuch nicht lohnt. Es gibt hier vieles in althergebrachter Hängung und Beleuchtung zu entdecken. Aber Eile ist vonnöten. Denn ab dem 28. November kostet der Eintritt – Menschen unter 18 Jahren haben freien Eintritt – satte 16 Euro pro Person. Das hat mit Teilhabe nichts mehr zu tun. Düsseldorf hat ein weiteres Luxusproblem.

Michael S. Zerban