O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Ehrenhof - Foto © O-Ton

Kunststücke

Festival für den Nachwuchs

15.000 Besucher konnte die Grosse im vergangenen Jahr unter der letztmaligen Leitung von Michael Kortländer verzeichnen. Das klingt bei einer einmonatigen Veranstaltung nach einer Zahl, bei der noch Luft nach oben ist. Emmanuel Mir ist in diesem Jahr angetreten, um den Beweis zu erbringen. Er möchte der Ausstellung einen Festival-Charakter verleihen.

Emmanuel Mir – Foto © Morgaine Prinz

Wie wäre es denn, wenn Künstler ihre Werke direkt auf einem Marktplatz verkaufen könnten, so ganz ohne Zwischenhändler, die ein Drittel bis zur Hälfte des Erlöses haben wollen? Die Idee ist wahrhaftig nicht neu. Mit 122 Jahren ist Die Grosse nach Angaben der Veranstalter die größte und älteste von Künstlern für Künstler organisierte Ausstellung im deutschsprachigen Raum. Bereits seit 1902 bietet der Verein zur Veranstaltung von Kunstausstellungen im Kunstpalast, im NRW-Forum sowie im Ehrenhof am Düsseldorfer Rheinufer mit der Organisation der Ausstellung eine einzigartige Plattform für den Austausch von Künstlern, Kunstinteressierten und Käufern. Die Werke können von den Besuchern ohne Beteiligung einer Galerie direkt vor Ort erworben werden. Die Bandbreite reicht dabei von Gemälden, Fotografien, Grafiken bis hin zu Skulpturen, Installationen und Videos.

Was auf der Netzseite des Kunstpalastes so schönfärberisch beschrieben wird, aber nicht wörtlich zitiert werden kann, weil die Seite von hanebüchenen Rechtschreibfehlern nur so sprießt, mag zwar die Grundidee erläutern, bleibt aber undifferenziert. Nicht jeder Künstler ist ein Vermarktungsgenie, und so manche Karriere wäre wohl vorzeitig im Keim erstickt, hätte nicht ein Galerist den Marktwert der künstlerischen Erzeugnisse richtig eingeschätzt und dafür gesorgt, dass sie das „richtige“ Publikum zu sehen bekommt. Und es ist auch beileibe nicht so, dass hier jeder Künstler Gelegenheit zur Ausstellung bekommt. Vielmehr entscheidet eine jährlich wechselnde Jury darüber, wer im musealen Bereich seine Ergebnisse zeigen darf. Emmanuel Mir hat gerade den Sitzungsmarathon der Jury hinter sich. Er selbst führt den Vorsitz der Jury, ohne ihr anzugehören. Seit diesem Jahr ist er der Ausstellungsleiter der Grossen. 1.271 Bewerbungen sind in diesem Jahr eingegangen. Ein neuer Rekord. Aus den Einsendungen hat die Jury gerade mal 158 Werke ausgewählt. Das könnte durchaus den Chancen eines Künstlers entsprechen, einen guten Galeristen zu finden. Trotzdem ist die Vorfreude Mirs groß. Unter der Leitung seines Vorgängers Michael Kortländer waren im Vorjahr gerade mal 15.000 Besucher im Ehrenhof erschienen, also weniger als 500 Menschen pro Tag. Da gibt es doch mehr Potenzial.

Mir selbst hat als Künstler begonnen. Er hat in Nizza und Düsseldorf Kunst studiert. Als Meisterschüler von David Rabinowitch schloss der gebürtige Franzose dessen Bildhauerklasse ab, erkannte aber während des Studiums, „dass ich eher ein Wort- als ein Bildmensch bin und dass ich mehr Interesse an der Theorie und Geschichte der Kunst als an ihrer Produktion entwickelte. Also war es konsequent, den Künstlerkittel an den Nagel zu hängen“. Konsequent schloss er ein kunstgeschichtliches Studium an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf an, dass er 2012 mit einer Doktorarbeit über die Funktion von Kunst in Unternehmen beendete. Nun also brennt er darauf, die Grosse weiterzuentwickeln.

Festival und Jugendarbeit

Seine Idee ist, die Kunstausstellung in ein Sommer-Festival zu verwandeln. Das klingt gut, in der Umsetzung dann vielleicht ein wenig profan. Imbiss- und Getränkestände, Konzerte und Aufführungen sollen den Ehrenhof als beliebten Treffpunkt etablieren. Daneben sind Künstlergespräche, Abende für Vereine, Sammler und Galeristen vorgesehen, um die Traditionalisten nicht zu verprellen. „Die Grosse soll ein Fest der Kunst werden. Und bei einem Fest muss man nicht in die Knie vor der Kunst gehen“, sagt Mir. Die Eröffnungsfeier des Kunstpalastes vor nicht allzu langer Zeit zeigte, dass die Bevölkerung für solche Angebote sehr offen ist, auch wenn sie in einem organisatorischen Fiasko endete. Wenn Kunst- zu Event-Managern werden wollen, sind vor allem gute Berater in der Durchführung gefragt. Aber das soll die Vision nicht schmälern. Mir hat im Grunde nichts zu verlieren. Denn die Berührungsängste der Bürger sind nach wie vor groß. Und wenn es Mir gelingt, die Schwelle zu senken, hat er im Grunde schon gewonnen.

Derzeit arbeitet er daran, die Jugend zu mobilisieren. Mit Schulen sucht er das Gespräch, um Führungen und Ferien-Workshops zu organisieren. Die Schüler des Wim-Wenders-Gymnasiums erstellen gerade einen Audioführer für die jüngeren Besucher. Oberstufenschüler der Lore-Lorentz-Schule im Bildungsgang Gestaltungstechnischer Assistent arbeiten an ihrer Ausstellung, die im Foyer des Kunstpalastes präsentiert werden wird, während die Studenten von Sabrina Fritsch von der Kunstakademie ebenfalls eine Ausstellung entwickeln.

Dem neuen Ausstellungsleiter ist es jetzt schon mal gelungen, Neugierde zu wecken und die Luft ein wenig vibrieren zu lassen. Da ist ihm zu wünschen, dass sich vom 23. Juni bis zum 28. Juli die Grosse trotz ihrer Rechtschreibschwäche in ein Volksfest für die Kunst verwandelt.

Michael S. Zerban