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Kulturmagazin mit Charakter

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Kunststücke

Eine Überwältigung

Phoenix des Lumières, seit Januar 2023 beheimatet in der ehemaligen Gasgebläsehalle des Hochofengeländes Phoenix-West, Dortmund, eröffnet als eines der größten digitalen Kunstzentren in Deutschland mit einer fulminanten Audio-Video-Show.

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Man muss kein Prophet sein, um sicher zu gehen, dass die digitale Revolution in der Kunst, wie Bruno Monnier, Präsident und Gründer von der Culturespaces Foundation stolz und selbstbewusst bemerkt, ihre Besucher haben wird. 2002 gegründet, inzwischen unter anderem in Bordeaux mit Bassins des Lumières seit 2020, Dubai mit Infinity des Lumières seit 2021, New York mit Hall des Lumières seit 2022 und Seoul mit dem Théâtre des Lumières seit 2022 mit diesem alle Sinne überschäumenden Angebot vertreten, wird auch Dortmund stellvertretend für das ganze Ruhrgebiet einen Ansturm auslösen. Wer schlägt das Publikum mehr in seinen Bann? Kunstmuseen mit ihrem distinkten, mitunter intellektuell anstrengenden wie angestrengt kuratierten Bildungsangeboten oder Culturespaces mit einem immersiven, social-media-tauglichen Event-Versprechen?

Die Stadt Dortmund ist mit der Phoenix-Halle ein perfekter Standort für das Culturespaces-Engagement. Sie besitzt eine sehr gute Infrastruktur mit einer authentisch erzählbaren Historie. Orte, die Geschichten erzählen, sind uns wichtig, betont Monnier: „… die die Fantasie beflügeln, tiefe Gefühle in uns hervorrufen und uns zurückwerfen auf die Frage, wer wir sind und wie wir leben“.

Die Gasgebläsehalle, über Generationen ein Ort, wo in Schwerstarbeit die ökonomisch verwertbaren Grundlagen für den modernen Industriestandort Deutschland geschaffen wurden, hat sich neu erfunden. Ein riesiger Kranhaken, vermauerte Gasbehälter, roh verputzte Wände strukturieren die architektonischen Phoenix-Relikte in einen elaborierten Kunst-Ort.

Mit Gustav Klimt, in Gold und Farbe in überblendeten XXL-Formaten auf Wände, Decke und Fußböden projiziert, von gefühligen Klängen unterlegt, umfängt einen mit dem Betreten die auch körperlich spürbare Sinnüberreizung schaffende Kraft einer sinnlichen Überwältigungsmaschinerie unter Volldampf.

Der Anspruch, es gehe trotz aller technischer Aufrüstung vor allem um Kunst, bietet Unterpfande an – unter anderem zum Beispiel hörbar gut versichert mit dem Vorspiel aus Richard Wagners Oper Tannenhäuser. Auch Ludwig van Beethovens Sequenzen aus der Symphonie Nr. 9 sowie Kompositionen von Frédéric Chopin und Philip Glass unterstreichen mit Skizzen aus dem musikalischen Kanon in Vergewisserung eines künstlerischen Understatements.

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Geht eine Kunstausstellung ohne Originalkunstwerk? Phoenix des Lumières setzt auf ein virtuelles, überwältigend dimensioniertes Erlebnisphänomen. Eintauchen mit allen Sinnen, ist der Anspruch. Keine Resonanz, keine Kommunikation, keine Reflexion in Respekt vor dem Original. Trotzdem demokratisch will Culturespaces verstanden sein. Die Macher – „Denn Kunst hat immer auch einen unmittelbaren Bezug zur Kunst– verstehen ihre Konzeption als eine Demokratisierung der Kunst, die durch multi-medial inszenierte Computergrafik- und Videoanimationstechniken neu interpretiert wird.

Phoenix des Lumières verwandelt die ehemalige Gasgebläsehalle in einen audio-visuellen Parcours aus digitalisierten Bildern, entworfen vom Kreativdirektor Gianfranco Iannuzzi unter Mitarbeit von Renato Gatto und Massimiliano Siccardi. Über- und unterspült von intermittierenden Farbexplosionen, ist der häufig zitierte Industriekathedralen-Charakter in dem dreizehn Meter hohen Raum unmittelbarer zu spüren.

Mit dem digitalen Werk Journey nimmt das Produktionsstudio Nohlab die Besucher mit auf eine experimentell universelle Reise ins Licht. Und eine zu den neuronalen Quellen, die die Kunst, die Culturespaces präsentiert, sichtbar macht – mithin eine Bildungsperformance in Gänze, als künstlerische und technische Ermächtigung verstanden. Bilder entstehen im Gehirn, gleichen sich mit den Culturespaces-Bildangeboten ab, ordnen sich zu neuen, komplexen Bilderwelten. Virtuell, digital, real.

Zehn Millionen Euro Investitionen mit der Perspektive von mehreren Jahren Phoenix-Präsenz getätigt, 500.000 Besuchern 2023 kalkuliert, stehen für eine ökonomisch verlässlich solide, erfolgversprechende Recherche. Es ist das konsequente Event-Marketing der Stunde, das einem von breiten Seiten der Gesellschaft getragenem digitalen Unterhaltungsbedürfnis Rechnung trägt.

Der Kartenvorverkauf hat schon am 1.Dezember vergangenen Jahres begonnen. Wer nicht zu spät kommen möchte, laufe jetzt los. Die Eröffnung findet am 28. Januar statt.

Peter E. Rytz