O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Album

Glühendes Temperament

Eigentlich sitzt man doch ein bisschen zwischen den Stühlen, denn als Streichoktett ist man kein Streichquartett mehr, aber auch noch kein kleines Orchester. Und trotzdem gelingt es dem Oberton String Oktett mit seinem neuen Album eine erstaunliche Klangfülle zu erzeugen, sodass man ein weit größeres Ensemble zu hören glaubt. Noch dazu verspürt man bei den Musikern vom ersten Ton an eine unbändige, sprühende Spiellust, die sich durch alle Stücke zieht. Weiters lässt sich eine hohe technische Virtuosität gepaart mit tiefsinnigen Emotionen bei den Lyrismen, aber auch glühendes Temperament bei den schnelleren Sätzen erlauschen. Und so werden die jungen drei Musikerinnen und fünf Musiker dem Titel des Albums Slavic Soul voll gerecht. Vor allem, weil man ausschließlich Stücke von russischen Komponisten im Gepäck hat.

Mit den Zwei Stücken für Streichoktett op. 11, gewissermaßen die Vorbereitung für die später folgenden grandiosen Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch, Jugendwerke mit 18 Jahren 1924 und 1925 komponiert, gelten als die ersten kammermusikalischen Versuche des jungen Leningraders, startet das Album. Da werden die zerfahrenen Klüfte dieser Werke mit sinnlicher Breite musiziert. Filigrane Beweglichkeit beim Prelude aber auch furiose Tremoli, die mit Glissandi und flirrenden Sechzehnteln wechseln, folgen beim Scherzo.

Schon 1875 veröffentliche Nikolai Afanassjew das Doppelquartett in D-Dur. Das viersätzige Werk ist tief in der romantischen Klangwelt verhaftet und glänzt durch meisterhafte Behandlung des Streicherklangs und Rückgriff auf russische Volksweisen mit raffinierten Echowirkungen. Und genauso meisterhaft und raffiniert sowie mit beschwingtem Gestus wird es auch musiziert.

Ebenfalls in jungen Jahren komponierte Richard Glière das Streichoktett in D-Dur, op. 5. Zwar hat er seinen Namen von seinen deutschen Vorfahren geerbt, seine Tonsprache ist jedoch rein russisch. Leidenschaftlich, mit energischem Schwung dringen die Musiker in diese Klangwelt und deren Kontraste ein, blühende Farben und solistische Bravourleistungen fallen hier besonders auf.

Jetzt erschien das Album bei Ars Produktion, aufgenommen im Dezember 2019 in Graz. Das Booklet liefert reichlich Hintergrundinformationen zum Werk, aber auch ausführliche Biografien zu den Künstlern. Klar und brillant ist ohne Einschränkung der Ton.

2015 in Graz gegründet, machte das junge Oktett mit Jevgenijs Cepoveckis, Veronika Brecelj, Andrii Uhrak, Alberto Stiffoni, alle auf der Violine, sowie Sehii Zhuravlov, Hanga Fehér auf der Bratsche, wie auch Floris Fortin, Dorottya Standi am Cello, alle zwischen 1993 und 97 geboren, gleich von Anhieb international von sich zu reden. Außer im Grazer Musikverein und der Wiener Hofburg trat man auch bei zahlreichen Festivals, etwa dem steirischen Kammermusikfestival, dem Sounding Jerusalem Festival, der 22nd Music Night of Sarajewo, dem Euro Chamber Festival in Danzig sowie beim Carinthischen Sommer in Ossiach in Kärnten auf.

Helmut Christian Mayer