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An der Seite des Walzerkönigs

2018 wäre Jetty Treffz 200 Jahre alt geworden. Nur wenige dürften allerdings mit diesem Namen etwas anfangen können, mehr dafür mit dem ihres Ehemanns: Sie war die erste Frau von Johann Strauss, dem Walzerkönig, und weit mehr als nur sein Anhängsel. Ihre Lebensgeschichte ist für eine Frau des 19. Jahrhunderts sehr ungewöhnlich. Deshalb ist die kleine, 150 Seiten starke Biografie, die der Autor Peter Sommeregger über sie vorgelegt hat, zu begrüßen.

Henriette – sie nennt sich später Jetty – Treffz wird 1818 in Wien als Tochter gutsituierter Eltern geboren. Ihre Gesangsausbildung beginnt sie mit noch nicht einmal 20 Jahren, später wird sie von der deutschen Primadonna Wilhelmine Schröder-Devrient unterrichtet, mit der sie zusammen 1838 in Dresden als Bellinis Giulietta auch ihr Bühnendebüt gibt. 1841 tritt sie das erste Engagement im Wiener Theater nächst dem Kärthnertore an, drei Jahre später wechselt sie an andere Bühnen der Stadt, um bessere Rollen zu bekommen. Größere Anerkennung als in der Heimat erhält sie in England bei ausgedehnten Gastspielen. Dort singt sie neben Stars wie Giulietta Grisi und Pauline Viardot und unter der Leitung von Hector Berlioz. In Wien aber stagniert ihre Karriere, und das bleibt so bis zum Ende ihrer Gesangslaufbahn 1867. Die letzten großen Konzerte finden denn auch bezeichnenderweise in London statt.

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Jetty Treffz ist eine gute, wenn auch nicht überragende Sopranistin. Aufsehenerregender als ihr künstlerischer Werdegang ist ihr Privatleben. Als 19-Jährige geht sie eine Liaison mit einem italienischen Kaufmann ein und bekommt von ihm ihre erste Tochter. Sie trennt sich, wird die Geliebte des reichen jüdisch-stämmigen Fabrikanten Moritz Tedesco und hat mit ihm sechs weitere Kinder – die wegen ihrer häufigen und längeren Auslandsaufenthalte in seiner Obhut bleiben. Eine Heirat kommt aus religiösen Gründen nicht in Frage, doch die Verbindung hält auch ohne Trauschein 20 Jahre. 1862 beendet Jetty das Verhältnis und geht im gleichen Jahr mit dem deutlich jüngeren Walzerkönig Johann Strauss eine Ehe ein. Sie begleitet ihn auf seinen Konzertreisen, die quer durch Europa bis nach Amerika führen, kümmert sich um geschäftliche und organisatorische Angelegenheiten und animiert ihn zur Komposition von Bühnenwerken – aus Gründen der höheren Tantiemen. Daneben hält sie die Strauss-Familie zusammen, sorgt sich um ihre Schwiegermutter und die drei Schwager und muss dazu Konflikte mit ihren Kindern bewältigen. 1878 stirbt sie. Nur sieben Wochen nach ihrem Tod heiratet Strauss wieder.

Sommeregger beschränkt sich nicht darauf, die Lebensgeschichte von Jetty Treffz nachzuerzählen, sondern berichtet zugleich vom Musikleben in den europäischen Zentren, in denen sie und Strauss wirkten. Zeitgenössische Kritiken, viele davon in Englisch und nicht übersetzt, sowie Auszüge aus der privaten und geschäftlichen Korrespondenz Jettys vertiefen die Ausführungen.

Gleichwohl bleibt gerade im persönlichen Bereich manches im Dunkeln, im Spekulativen oder wird nur angerissen. Gerne wüsste man beispielsweise mehr darüber, wie sich die Beziehung zu Tedesco gestaltete oder wie Treffz als unverheiratete Frau mit sechs Kindern ihre gesellschaftliche Stellung behaupten konnte. Sommeregger erklärt im Vorwort die Informationslücken mit fehlenden oder unzureichenden Quellen. Der Einschränkung zum Trotz ist Die drei Leben der Jetty Treffz eine interessante Lektüre, die flüssig geschrieben ist und im Anhang durch einige historische, teils farbige Stiche und Fotos abgerundet wird.

Karin Coper