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Kommentar
Vom Gazastreifen aus startet die radikal-islamische Hamas am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel. Attackiert wird auch Supernova Sukkot, ein internationales Festival für elektronische Tanzmusik, das zum ersten Mal im Land stattfindet. Hunderte Raver werden ermordet, andere entführt. Unter den Geiseln auch deutsche Staatsbürger. Eine junge Frau mit Wurzeln in Ravensburg, eine Mutter mit ihren zwei Kindern.
Auf dem Festivalgelände werden hunderte junger Leute niedergemetzelt. – Foto © N.N.
Es fällt schwer, zum Alltag zurückzukehren. All diese Bilder, die sich festsetzen. Zum Beispiel dieser 18-Sekunden-Schnipsel. Ein Musikfestival, eine Rave-Party unter freiem Himmel, wie man das für gewöhnlich kommentierte. Nur, dass auch dieses Wort jetzt kontaminiert ist. Am Himmel, man sieht das ganz genau, schweben die Killerkommandos der Hamas ein. Auf Paraglidern. Vorn tanzen sie noch. Im nächsten Moment bricht das Video ab, und das Grauen nimmt seinen Lauf. Eine Szenerie wie in Apocalypse Now. Schwer zu sagen, ob Hamas daran Maß genommen hat. Ausgeschlossen ist jedenfalls nichts mehr. Bei Coppola, also im Film, wird der Überfall mit Wagner, Walkürenritt, sekundiert. Und welche Klänge haben sich die fliegenden apokalyptischen Reiter aus Gaza aufs Ohr gegeben? Wagner wohl kaum. Eher Techno, steht zu vermuten. Wie die Raver unten am Boden. Nur, dass es für diese human values gibt und nicht nur als Floskeln. Ihre Veranstaltung wollten die Supernova-Organisatoren als ein Zusammenkommen im Namen von Love und Spirit verstanden wissen. Entsprechend stolz ist man, das internationale Festival für alternative elektronische Musik mit Wurzeln in Brasilien nach Israel geholt zu haben. Die Freude im Vorfeld entsprechend groß. Die Weltoffenheit der Veranstaltung eine Selbstverständlichkeit. Künstler aus Frankreich und anderen Ländern sind engagiert. Und Jugendliche aus aller Welt zu Gast. Darunter auch eine junge Frau mit Wurzeln im württembergischen Ravensburg. Seit dem 7. Oktober wird sie vermisst. Genauso wie eine Mutter mit ihren zwei Kindern. Familienangehörige erkennen sie auf einem Foto. Ein Geländewagen der Hamas transportiert Geiseln ab.
Ein Traum, der in einem Blutbad endet. Angerichtet von einer Organisation, die sich das Töten in die Verfassung geschrieben hat. August, 1988. Die selbsternannte „Islamische Widerstandsbewegung“ Hamas präsentiert ihre „Charta“. Oberstes Ziel sei die Zerstörung Israels in einem „Heiligen Islamischen Krieg“. Und immer wieder legen die „Eiferer“ mit Hetz-Flyern nach. Im Oktober 1990 mit einem Flugblatt Nr. 65. „Jeder Jude ist ein Siedler und es ist unsere Pflicht, ihn zu töten“, ist da zu lesen. Richtig ist, dass viele, wenn auch nicht alle Länder Hamas als Terrororganisation einstufen. Andererseits, wieso interessiert sich eigentlich kein Staatsanwalt, wenn Mordaufrufe in der Öffentlichkeit platziert werden?
Und noch etwas irritiert. Ohne systematische Gehirnwäsche bekommt nämlich auch eine Terrororganisation wie die Hamas keinen Boden unter den Füßen. „Operationen“ kann sie nur führen, wenn sie von anderen ausgeführt werden, weswegen sich Hamas um den Nachwuchs kümmert. Sie hat die Jugend im Visier. Und hat Erfolg damit, hat es geschafft, dass die jungen Rekruten des Terrors sich von ihrer Jugend verabschiedet und für den Tod entschieden haben. Denn das muss jedem, der an diesem 7. Oktober mitgefahren ist, um den Schrecken zu verbreiten, klar gewesen sein. Lebend kehrst du wahrscheinlich nicht mehr zurück. Sein Leben wegwerfen, einfach so? Wie ist das möglich? Und woher das Recht, anderen das Recht auf Leben abzusprechen? – Es gibt da, in diesem Fall, einen Hinweis, dem man entnehmen kann, dass das nun gerade nicht einfach so passiert, passiert ist.
Man kann es den Eiferern Allahs nämlich von den Lippen ablesen. Was sie tun, tun sie im Namen ihres Gottes. Sie rufen ihn an, wenn sie schießen. Auf Menschen, die so alt sind wie sie selbst. Vielleicht mit denselben Vorlieben. Weil sie aber Angehörige des Staates sind, den die antizionistische Propaganda weltweit als „illegitim“ denunziert, deswegen haben sie, so die Logik, ihr Leben verwirkt. Weg mit ihnen. Allah ist groß. Allah will es so. Wie ja immer gemordet wird im Namen der allerhöchsten Werte. – Und dann das Nachspiel. Auf die Untat folgt deren propagandistische Verwertung. Womit wir wieder bei den Bildern sind. Die gehen um die Welt. Werden gesehen in Berlin-Neukölln, in Duisburg und anderswo und werden – bejubelt. Das antisemitische Gift hat sich ausgebreitet. Das Ungeheuerliche wohnt nebenan.
Georg Beck