O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Ensemble Simkhat Hanefesh - Foto © Antje Seeger

Hintergründe

Breites Spektrum

Vom 14. bis 18. Dezember findet das Festival Internationale Tage jüdischer Musik mit sieben Konzerten in sieben Städten statt. Das Programm reicht von den Anfängen der jüdischen Musik bis zur Gegenwart. Unter dem Motto „Hine ma tov – Siehe, wie schön“ erklingen Stimmen aus Theresienstadt, aschkenasische Reiseklänge, swingende Big-Band-Rhythmen, chassidische Melodien und pulsierender israelischer Jazz.

Daniel Seroussi und Simon Wallfisch – Foto © Luisa Haubenreiser

Der Usedomer Hotelier Werner Molik hatte in den 1990-er Jahren die Idee, Opernfestspiele auf der Ostseeinsel zu veranstalten, um die Nachsaison zu beleben. Also verpflichtete er 1993 den Opernsänger Reymond Urbanski. Ihm folgte ein Jahr später der Kulturmanager Thomas Hummel, der das Usedomer Musikfestival, ein Festival mit dem Schwerpunkt Klassische Musik, ins Leben rief. Fünf Jahre später etablierte Hummel die Veranstaltung als „Podium der Ostsee“ in der bis heute geltenden Form. Jedes Jahr steht exklusiv ein Land des Ostseeraums für die Dauer einer Saison im Mittelpunkt des Programms. Mit einer Dauer von drei Wochen kann man das Festival zu den größten themengebundenen Musikfestivals weltweit zählen. „Themenfestivals dauern normalerweise nur vier bis sieben Tage, und Langzeitfestivals verpflichten sich normalerweise auf keinen inhaltlichen Fokus. Das Usedomer Musikfestival, das sowohl in Polen als auch in Deutschland zu Hause ist, ist in dieser Hinsicht eine Rarität“, sagt Hummel. Inzwischen besuchen nach Angaben des Veranstalters jährlich 14.000 Besucher das Festival.

Seit 2009 veranstaltete das Usedomer Musikfestival Synagogenrundfahrten, um jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern zu entdecken. Daraus entstanden 2016 unter dem Dach des Festivals die Internationalen Tage jüdischer Musik, die in diesem Jahr vom 14. bis zum 18. Dezember zum achten Mal stattfinden. Sie wollen das Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden in Europa feiern und den Spuren jüdischen Lebens in Vergangenheit und Gegenwart folgen. In diesem Jahr übrigens während des Lichterfestes. Chanukka wird häufig als „jüdisches Weihnachten“ bezeichnet, was so nicht stimmt. Vielmehr ist es ein acht Tage dauerndes Fest zum Gedenken an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem 164 vor Christus. Es gibt also doppelten Grund zu feiern.

Stimmen aus Theresienstadt heißt das Konzert, mit dem Bariton Simon Wallfisch und Pianist Daniel Seroussi das Festival in der Villa Esplanade im Seebad Heringsdorf eröffnen. Werke von Viktor Ullmann, Klabund, Carlo Taube, Pavel Haas, Leo Strauss, Johannes Brahms, Ilse Weber und Maurice Ravel schaffen einen Raum der Reflexion und des Gedenkens. Am nächsten Abend geht es im Jüdischen Gemeindezentrum Fasanenstraße in Berlin weiter mit Roman Grinberg, Michael Alexander Willens und dem Shvayg Mayn Harts Orchester, die zu A Swingin’ Chanukka einladen. Alte jiddische Melodien erklingen mit zeitgenössischem Esprit neu. Humor, musikalischer Witz und tiefe Einblicke in die Traditionen des Lichterfestes verbinden sich mit schwungvollen Big-Band-Rhythmen.

Am 16. Dezember entführt das Amit-Friedman-Quartett in der Alten Synagoge Essen mit Unleash the Light – Entfessele das Licht – in die Welt israelischer Jazz- und Weltmusik. Saxofonist Amit Friedman, Pianistin Hila Kulik, Igor Spallati am Bass und Amir Bresler am Schlagzeug schaffen eine pulsierende Symbiose aus Tradition und Moderne, die das kulturelle Erbe Israels feiern will. Am darauffolgenden Abend geht es im Kraftwerk Chemnitz weiter. Dann lädt das Ensemble Simkhat Hanefesh zu einer musikalischen Zeitreise ein. Reise durch Aschkenas – Die Fahrten des Abraham Levie, 1719 –1723 erzählt vom jüdischen Leben im Europa des 18. Jahrhunderts. Mit Barockvioline, Gesang, Nyckelharpa, Laute, Theorbe, Viola da Gamba und Perkussion wird Musik aus Renaissance und Barock lebendig, während Lesungen aus Levies Reisetagebuch seine Erinnerungen hör- und erlebbar machen.

In der Liberalen Synagoge Hamburg findet am 18. Dezember das Finale statt. Mit Lichtklänge – Ein Chanukka-Konzert vereinen der Pianist Jascha Nemtsov und die Sängerin Alina Treiger liturgische Kompositionen, chassidische Melodien und jüdische Kunstmusik zu einem großen Fest, das die Freude und Spiritualität des Chanukka-Festes in Klang verwandelt.

„Möge dieses Festival ein Ort der Begegnung und des Dialogs sein – hine ma tov“, wünscht sich Intendant Thomas Hummel. Und man möchte hinzufügen: Möge es vor allem ein Fest des Friedens werden.

Michael S. Zerban