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Hintergründe

Philosophische Reise mit beschwörenden Klängen

Voyagers, das neue Werk von André Buttler verbindet Musik, Choreografie und Lichtkunst. Vier Sätze des 75-minütigen Stücks werden mit Tanzeinlagen ergänzt. Die Uraufführung ist am 16. November im Theater der Stadt Marl. Die Proben laufen bereits auf Hochtouren.

Melanie Drüke und André Buttler – Foto © O-Ton

Willkommen bei Voyagers, einem interkulturellen Gesamtkunstwerk, das am 16. November im Marler Theater seine Uraufführung feiert. Die Proben, die seit dem Sommer laufen, sind für alle Beteiligten schon jetzt ein bereichernder Erfahrungsgewinn.

Es herrscht konzentrierte Stille in einem Probenraum der Scharoun-Schule, diesem vom Berliner Star-Architekten realisierten, außergewöhnlichen Lernort. André Meisner bläst die Backen auf, denn seine Duduk, das traditionelle armenische Holzblasinstrument, erfordert eine solide Luftsäule, um seine beschwörenden, langgezogenen Töne zu entfalten. Doch der Duisburger ist in diesem neuen Werk kein herausgehobener Virtuose, sondern agiert auf Augenhöhe mit einem Kammerensemble aus Streichquartett und Klavier. Denn die meditativen Klänge der Duduk sind Teil eines größeren Ganzen, das sich in mehreren der zwölf Stücke von Voyagers in den fließenden Bewegungen von bis zu zwölf Tänzerinnen fortsetzt.

Eine weltumspannende Vision

Der Marler Komponist André Buttler hat vor allem in der Filmmusik, aber auch in der Computerspielmusik-Branche seine kreative Heimat gefunden, Voyagers ist eines seiner bislang persönlichsten Projekte – vor allem, weil hier die eigene Affinität zur asiatischen Kultur und Philosophie eine große Rolle spielt. Die Neugier auf die Duduk entstand in erster Linie wegen ihrer spezifischen Klangfarbe, aber sie ist natürlich als Botschafter für die weltumspannende Vision des neuen Werkes.

Buttler, der bereits 2022 mit seinem interkulturellen Orchesterwerk Abunuya – einer Zusammenarbeit mit dem syrischen Pianisten Aeham Ahmad – großen Erfolg hatte, setzt auch bei Voyagers auf kulturelle Verschmelzung. Seine Komposition ist stark von japanischer Musik inspiriert. „In Voyagers habe ich viel mit Quart- und Quintharmonien gearbeitet, die typisch für ostasiatische Musikkulturen sind. Es ist spannend, solche harmonischen Strukturen mit der westlich-europäischen Harmonielehre zusammenzubringen, da man überraschende Schnittmengen entdeckt. Diese Strukturen erinnern auch an die Jazz-Harmonik, in der ebenfalls viel mit erweiterten Akkorden und offenen Intervallen gearbeitet wird“, sagt Buttler. Und genau das macht auch die Probenarbeit zu einem so reizvollen Unterfangen, das sie für die Musiker ständig neue Überraschungsmomente offenbart.

Die Duduk entdeckt die Welt – die Welt entdeckt die Duduk

Patricia Gildekötter, Florian Krebs, André Meisner und Carolin Bernhard – Foto © O-Ton

André Meisner kam ursprünglich als Jazz-Saxofonist in der Musikszene und entdeckte die Duduk auf einem Festival. Heute zählt er zu den profiliertesten Spielern des Instruments in Deutschland und pflegt zugleich einen lebhaften Austausch mit der armenischen Szene. Die Mitwirkung in einem Kammerensemble ist auch für ihn eine Premiere. „Die Duduk hat eine einzigartige Fähigkeit, Töne sehr lange zu halten und dabei eine besondere Tiefe und Resonanz zu erzeugen. Diese meditative Qualität ergänzt sich perfekt mit der Feinheit und Dynamik der westlichen Instrumente“, erklärt Meisner. Darüber hinaus versteht er sich als Botschafter des Instruments und freut sich darauf, dass bei der Uraufführung im Theater Marl viele Menschen den außergewöhnlichen Klang für sich entdecken: “Die Duduk entdeckt die Welt und die Welt entdeckt die Duduk, genau darum geht es mir.”

Die choreografische Gestaltung liegt in den Händen von Melanie Drüke, die ihre Ausbildung am Kieler Institut für Gymnastik und Tanz in den Bereichen Jazz, Modern, Ballett und Folklore absolvierte. Seit 20 Jahren leitet sie mit Herzblut und Professionalität ihr kleines, aber engagiertes Studio TanzKreativ und hat hier schon viele Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen zum Tanzen ermutigt und professionell ausgebildet. Zu vier Stücken von Voyagers hat sie eine Choreografie entwickelt, die das Thema des Aufbruchs und der Suche in Bewegung übersetzt. Aber auch Drükes Expertise im Lichtdesign, die sie bei zahlreichen Konzerten von Buttler entwickelte, bringt eine zusätzliche Dimension in die Aufführung. „Das Licht formt hier den Raum und verstärkt die emotionale Wirkung der Bewegungen“, erklärt Drüke.

Kulturelle Unterschiede als Bereicherung

Das Projekt versteht sich dabei nicht nur als künstlerisches Experiment, sondern auch als philosophische Reise. Der Titel “Voyagers” steht für eine Weltsicht, die kulturelle Unterschiede nicht als Grenzen, sondern als Bereicherung versteht.  „Wir wollen keine exotische Klangcollage schaffen, sondern eine authentische Begegnung verschiedener kultureller Ausdrucksformen“, betont Buttler. In einer Zeit, in der sich kulturelle Gräben scheinbar immer mehr verschärfen, setzt Voyagers ein Zeichen für die verbindende Kraft der Kunst. Das Projekt steht aber auch beispielhaft für die lebendige Kulturszene des Ruhrgebiets, die seit jeher von Vielfalt und künstlerischer Innovation geprägt ist. Letztlich geht es darum, die universelle Sprache der Musik zu sprechen – und die braucht keine Übersetzer.

Stefan Pieper

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