O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Nadja Stefaniak

Hintergründe

Erfolg mit Brahms und Rimski-Korsakov

Die Duisburger Philharmoniker waren immer wichtig für das Renommee der Stadt und des Ruhrgebiets. Zeigen sie doch in vielen Konzertsälen anderer Länder, dass Duisburg mehr als Stahl und Kohle, Arbeit und Armut ist. Jetzt bekamen sie Gelegenheit, ihr Können in der berühmten Sala Verdi des Mailänder Konservatoriums unter Beweis zu stellen.

Foto © Nadja Stefaniak

Mehrtägige Gastspielreisen der Duisburger Philharmoniker ins Ausland sind selten geworden. Die letzte liegt sieben Jahre zurück und führte nach Istanbul. In den Jahren zuvor gehörten Auslandsreisen in relativ kurzen Abständen zum Alltag des Orchesters. So konnte es in China, der Sowjetunion, Großbritannien, Polen, Litauen und Athen das einseitige Image Duisburgs als Stahl- und Industriestadt ein wenig aufbessern. Dass heute noch allenfalls eintägige Abstecher, etwa ins Amsterdamer Concertgebouw, möglich sind, liege nicht am Mangel an Einladungen, betont der Intendant des Orchesters, Alfred Wendel. Doch die vielen Auftritte als Opern- und Konzertorchester an der Deutschen Oper am Rhein und in der heimischen Mercatorhalle füllten den Proben- und Auftrittsplan der 87 Musiker soweit aus, dass keine Luft für mehrtägige Reisen bleibe, bedauert Wendel.

Umso erfreulicher, dass sich jetzt doch ein dreitägiges Zeitfenster für ein Gastspiel in Mailand gefunden hat, das auf Einladung der privaten Kulturinitiative Fondazione Società dei Concerti zustande gekommen ist. Die Philharmoniker hinterließen dabei einen derart nachhaltigen Eindruck beim Publikum wie auch bei der Präsidentin der Società, Enrica Ciccarelli Mormone, dass gleich über einen weiteren Besuch im übernächsten Jahr gesprochen wurde.

Mit 76 Musikern reiste das Orchester in die lombardische Hauptstadt. Die Anspannung war groß, war man sich doch bewusst, sich in einer derart renommierten europäischen Kultur- und Musikmetropole einem anspruchsvollen Publikum stellen zu müssen. Und dass man in der Sala Verdi des Mailänder Konservatoriums auf den Spuren des Opern-Titanen wandelte, steigerte die Ehrfurcht noch zusätzlich. Auch wenn der junge Verdi gerade an diesem Konservatorium mit Pauken und Trompeten durch die Aufnahmeprüfung fiel, zeitlebens ein distanziertes Verhältnis zu Mailand hatte und das Konservatorium erst in Verdis letzten Jahren nach ihm benannt wurde.

Die 1400 Plätze des Saales, der wichtigste Konzertsaal der Stadt, waren ausverkauft, als die Philharmoniker unter Leitung von Fabrizio Ventura ihre Plätze einnahmen. Mit ihren steil ansteigenden Sitzreihen eher an einen Kinosaal erinnernd, ist die Akustik der Halle stark auf die technischen Bedürfnisse der Rundfunkanstalt RAI ausgerichtet. Live klingt der vollbesetzte Saal stumpfer als in der vorausgegangenen Generalprobe vor leeren Reihen. Die Musiker selbst konnten jedoch gut aufeinander hören, so dass sie mit keinen bösen Überraschungen kämpfen mussten.

Maestro Ventura, der vor wenigen Monaten als Gast ein Philharmonisches Konzert in Duisburg bestritt, knüpfte die Kontakte zur Mailänder Società. Aus dem damaligen Programm wurde Nikolai Rimski-Korsakovs symphonische Dichtung Scheherazade übernommen. Ein farben- und klangprächtiges Werk, mit dem sich nicht nur die Opulenz des gesamten Orchesters zur Schau stellen lässt, sondern das auch viele solistische Leckerbissen bereit hält. So konnten sich alle Solo-Bläser wie auch Solo-Cellist Friedemann Pardall als auch in besonderem Maß Konzertmeister Siegfried Rivinius von ihrer besten Seite zeigen. Die an allen Pulten stark verjüngten und rundum hervorragend agierenden Bläsergruppen dürften auch dem neuen Duisburger Generalmusikdirektor Axel Kober einen reizvollen Ansatz geben, die Klangkultur des Orchesters mit frischen Kräften neu zu gestalten. Dass der bunte Bilderbogen mit den orientalischen Märchen aus 1001 Nacht mit den Anstrengungen des saudi-arabischen Kronprinzen zusammenfällt, die legendäre Scala nicht nur finanziell zu unterstützen, sondern auch im Verwaltungsrat mitzumischen, ist reiner Zufall. Doch seit den kulturfeindlichen Zeiten Berlusconis hat es selbst ein Flaggschiff wie die Scala schwer, sich ohne fremde Hilfe über Wasser zu halten. Auch wenn die Quellen, bescheiden formuliert, anrüchig duften.

Auf Rimski-Korsakovs klingendes Märchenbuch reagierte das Publikum ebenso begeistert wie zuvor auf eine eindrucksvolle Interpretation von Johannes Brahms 2. Klavierkonzert. Rimski-Korsakovs Hummelflug als Zugabe glänzt vielleicht nicht als Beweis besonderer Originalität. Doch die Virtuosität, mit der der populäre „Brummer“ zum Leben erweckt wurde, konnte sich hören lassen.

In der vormittäglichen Generalprobe konnte Ventura beide Hauptwerke nahezu ohne Unterbrechungen durchlaufen lassen und beschränkte sich auf äußerst wenige Korrekturen. Erstaunlicherweise auch bei dem gewaltigen Klavierkonzert von Brahms, das das Orchester unter extrem knappen zeitlichen Bedingungen einstudieren musste. Mit dem jungen russischen Pianisten Alexei Volodin saß allerdings ein Solist am Klavier, der die Tücken des Werks so souverän beherrschte, dass ein organisches Zusammenspiel mit dem Orchester erleichtert wurde. Zudem hat sich Volodin bereits durch einige Solo-Abende die Herzen des Mailänder Publikums erobern können, so dass dem Erfolg nichts im Wege stand.

Vorfreude auf künftige Ereignisse

Es musste bei einem Auftritt in Italien bleiben. Obwohl das Konzert auch in anderen Städten Anklang gefunden und das Ansehen des Orchesters hätte erweitern können. Der Gesellschaft der Freunde der Duisburger Philharmoniker ist es zu verdanken, dass die Musiker nicht gleich am nächsten Morgen die Rückreise antreten mussten, sondern durch eine zusätzliche Übernachtung noch einen Tag in Mailand verbringen konnten, den sie auf unterschiedliche Weise verbrachten. Das gastronomische und kulturelle Angebot um den legendären Dom ist gewaltig. Einige Glückliche haben noch Karten an der Scala für eine Traviata mit Placído Domingo als Vater Germont ergattert, andere ließen sich eher von der Frankfurter Eintracht gegen Inter Mailand inspirieren. Langeweile kam jedenfalls nicht auf. Und Wendel freut sich schon jetzt auf den nächsten Auftritt in bel paese.

Dann wohl in der Ära Axel Kobers, der das Orchester als Musikchef der Deutschen Oper am Rhein seit zehn Jahren kennt. Wenn er in der kommenden Saison als Generalmusikdirektor der Stadt Duisburg antritt, kann er sich der Unterstützung durch die Musiker sicher sein, die sich mit überwältigender Mehrheit für ihn ausgesprochen haben, obwohl man in der Interimszeit nach dem Weggang des nicht allzu beliebten Maestros Giordano Bellincampi ein gutes Dutzend Kandidaten in der Mercatorhalle zum Probedirigat antreten ließ. In Gesprächen mit den Musikern fällt auf, dass nahezu alle, vom blutjungen Praktikanten bis zum erfahrenen „alten Hasen“, Kober in den höchsten Tönen loben. Mit seiner fachlichen Kompetenz und seinen angenehmen Umgangsformen motiviere er die Musiker zu einem ebenso konzentrierten wie entspannten Spiel, ist allgemein zu vernehmen. „Als der letzte Ton im Siegfried verklungen war, hätte ich von vorne beginnen können“, sagt einer unter vielen.

Pedro Obiera